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Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kulbach-Fricke
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griechisch, aber mit einem schauderhaften Akzent, wer der Anführer der Gefangenen sei. Ich sah mich um. Der Führer des zweiten Schiffes hatte den Kampf offenbar nicht überlebt.
    »Ich bin der Anführer«, sagte ich darum.
    Gemächlich erhob sich der Häuptling, trat auf mich zu und schlug mir mit der Faust ins Gesicht. Apollonius stöhnte.
    »Du warst der Anführer. Merke dir das. Du bist jetzt nur noch ein Gefangener«, erklärte der Häuptling. »Hier gibt es nur einen Anführer, und das bin ich, der schwarze Nikolaus. Wirst du dir das merken können?«
    Ich nickte. Meine Nase blutete.
    Da schlug er zum zweiten Mal zu.
    »Es heißt: ›Ja, Herr Nikolaus‹. Ist das klar?«
    »Ja, Herr Nikolaus«, antwortete ich gehorsam und schämte mich vor meinem Sohn für meine Hilflosigkeit. Aber Apollonius drückte sich eng an mich und zeigte mir dadurch seine Unterstützung.
    »Was kannst du?« fragte Nikolaus in sachlichem Ton.

    »Ich bin ein Kaufmann. Ich kann lesen, schreiben, rechnen, handeln«, antwortete ich und fügte dann hastig hinzu: »Herr Nikolaus!«
    Nikolaus nickte gleichgültig. Über die anderen Männer warf er nur einen kurzen Blick.
    Er wandte sich schon ab, um zu gehen, da bemerkte er etwas an einem seiner Seeräuber und erstarrte.
    »Herkommen«, befahl er eisig. Der Mann trat vor ihn.
    »Wie heißt du?«
    »Antonius, Herr Nikolaus.«
    »Wie lange kämpfst du schon für mich?«
    »Zwei Monate, Herr Nikolaus.«
    Der Häuptling musterte ihn von oben bis unten.
    »Zwei Monate also. Was hast du da an deiner Hand?«
    Der Seeräuber streckte stolz seine Pratze vor. Am kleinen Finger trug er einen dicken goldenen Ring mit einem großen Rubin.
    »Schön, nicht?« sagte er selbstgefällig.
    »Woher hast du diesen Ring, Antonius?« fragte Nikolaus mit sanfter Stimme.
    »Ich nahm ihn gestern einem der Männer ab, den ich auf dem Schiff erschlagen hatte«, erklärte Antonius.
    »Du hattest kein Recht, ihn zu behalten, Antonius. Alle Beute gehört mir, dem schwarzen Nikolaus.«
    »Aber du hast doch schon die ganze Ladung mitsamt den Gefangenen, was ist da schon ein Ring?« protestierte Antonius.
    »Außerdem hast du nicht dafür gekämpft, sondern ich, und einen Dolchstich habe ich dabei auch kassiert.« Er wies auf seinen verbundenen Oberschenkel.
    In diesem Augenblick zog Nikolaus sein Schwert so schnell aus der Scheide, daß man nur ein Blitzen sah, und im nächsten Augenblick lag die Hand mitsamt dem Ring im Sand.

    Fassungslos und mit weit aufgerissenem Mund starrte Antonius auf seine abgeschlagene Hand und auf den Unterarm, aus dem ein heller Blutstrahl sprudelte.
    »Alles gehört mir, verstanden?« brüllte Nikolaus mit so lauter Stimme, daß alle vor Schreck erstarrten. »Und weil du jetzt nur noch eine Hand hast, habe ich für dich keine Verwendung mehr.«
    Und sein Schwert sauste abermals nieder und schlug Antonius den Kopf ab.
    Ich versuchte, Apollonius die Sicht zu verdecken, damit er dieses Grauen nicht mit ansehen mußte; aber mein tapferer Junge zischte nur leise: »Halt still, Vater, und tu keinen Mucks!«
    Die Lektion hatte gereicht. Keiner von uns wagte auch nur den geringsten Widerstand. Wir befolgten resigniert jeden Befehl der Seeräuber, ließen uns fesseln und in einer dunklen Hütte einsperren. Immerhin gaben sie uns jetzt zu essen und vor allem zu trinken. Ich weiß nicht, wie viele Tage wir dort in Hitze und Gestank verbrachten. Irgendwann holten sie uns heraus, schafften uns auf ein Schiff und brachten uns zum nächsten Sklavenmarkt.«
    Johannes mußte innehalten. Rasch winkte ich der Magd, seinen Krug nachzufüllen - Wein mit sehr viel Wasser. Er trank und fuhr dann fort.
    »Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie grauenhaft es ist, wenn Menschen wie Ware oder wie Vieh gehandelt werden! Bei uns gibt es ja schon lange keine Sklaven mehr. Zwar ist die Sklaverei im allgemeinen nicht verboten, wohl aber dürfen Christen nicht wie Sklaven gehalten werden. Und da unsere Kirche sich ja seit langem die größte Mühe gegeben hat, unsere ehemals heidnischen Nachbarn zu bekehren, reichen die Grenzen des Christentums jetzt eben weit. Ich erinnere mich, daß ein besonders schlauer Kaufmann in Byzanz sich ein Dutzend moslemische Kriegsgefangene auf
dem Sklavenmarkt kaufte und nach Hause brachte, um sie ohne Entgelt in seiner Walkmühle vor der Stadt arbeiten zu lassen. Die Geistlichen machten ein entsetzliches Gezeter, es könne nicht angehen, daß Ungläubige im allerchristlichsten Byzanz lebten. Sie

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