Die Tuchhaendlerin von Koeln
Absagen.
Eigentlich kein Wunder, denn die wußten natürlich genau, welches Unglück uns auf der letzten Fahrt zugestoßen war, und wollten ihre Töchter lieber im Wohlstand sehen.
Meine Mutter ließ meinem Bruder aber keine Ruhe und meinte, mit einer Mitgift, wie du sie ganz sicher bekommen würdest, wären alle unsere Sorgen mit einem Schlag behoben. Sogar ohne diese: Allein schon die Verbindung mit eurer hochangesehenen Sippe würde uns auf der Stelle wieder kreditwürdig machen, und wir könnten unser Geschäft wieder aufleben lassen.
Es sei der letzte Strohhalm, an den wir uns jetzt klammern könnten.
Darum solle Gottschalk gefälligst bei deinem Vater anfragen! Mehr als nein könne der ja nicht sagen.
Gottschalk ärgerte sich darüber und fuhr auf. Ob er jetzt das letzte Handelsobjekt sei, über das sie noch verfüge, fragte er bissig. Meine Mutter brach in Tränen aus, und das konnte Gottschalk nicht ertragen. Er liebt unsere Mutter sehr, mußt du wissen. Ja, Gottschalk ist ein wunderbarer Mensch.«
Und Regenzo nickte mehrere Male.
Ich fragte ihn mit schriller Stimme, was dieser wunderbare Mensch denn dann unternommen hätte.
»Er nahm seine Mütze und verließ das Haus. Nach einer Stunde kam er mit finsterer Miene zurück und sagte, er sei bei deinem Vater gewesen. Der habe sehr höflich mit ihm gesprochen, ohne ihm aber auch nur den geringsten Mut zu machen. Gunther habe doch tatsächlich gesagt, er wolle seine Tochter fragen, und Gottschalk solle sich in den nächsten Tagen die Antwort holen.
Mein Vater schüttelte darüber den Kopf, ob es denn jetzt Sitte sei, daß die Töchter ihren Ehemann selbst auswählten.«
Regenzo blickte mich mit verschwommenem Blick an und schien noch immer darüber erstaunt.
»Wieso wollte eigentlich dein Vater deine Meinung dazu hören?« fragte er verwundert.
Ich hätte ihm den Hals umdrehen können.
»Schließlich war ich ja nicht ganz unbeteiligt bei dieser Angelegenheit«, sagte ich mit beißendem Unterton. Das war ein Fehler, denn der gutmütige Regenzo tauchte nun aus seinem Rausch auf.
»Entschuldige, liebe Schwägerin«, sagte er höflich, »es lag mir ganz fern, dich kränken zu wollen. Das mußt du mir glauben. Ich mag dich wirklich gerne, und darum bin ich ja
auch so froh, daß du Gottschalk geheiratet hast, obwohl er doch gar nicht wollte.«
Das reichte. Ich hätte ihm gern den Inhalt meines Bechers ins Gesicht geschüttet, aber wie konnte ich das, wo er mich mit dem einfältigen Blick eines treuen Hundes anschaute. Ich hätte auch gerne gebrüllt und getobt und Gegenstände an die Wand geworfen, aber mein Herz tat so weh, daß mir zu jeglichem Gemütsausbruch die Kraft fehlte.
Damals war ich wieder im Beginn einer Schwangerschaft, und ich fühlte mich nicht gut. Ich hätte auch nichts trinken sollen, nicht am Abend zuvor und nicht an diesem Tag. Im Wein liegt Wahrheit, sagt man. Nun hatte ich die Wahrheit serviert bekommen und wünschte, ich hätte sie niemals vernommen.
Ich entschuldigte mich bei meiner Schwiegermutter, um zu gehen. Regenzo sprang sofort auf und erbot sich fröhlich, mich nach Hause zu geleiten. Da fauchte ich ihn an, er solle bloß auf seinem Hintern sitzen bleiben. Erschrocken stammelte er: »Aber Sophia, wieso bist du denn bloß so böse auf mich?«
Was hätte ich da noch sagen sollen?
Gottschalk bestand dann darauf, mich heimzubegleiten, obwohl ich ihn sehr unwirsch abwies. Schweigend ging er neben mir her, während ich fast im Laufschritt auf unser Haus zueilte. Nachdem er mich ins Haus geleitet hatte, fragte er:
»Was hast du eigentlich, Sophia? Hast du dich über irgend etwas geärgert?«
Ich hätte alles herausschreien sollen, was mir auf der Seele lag, das wäre viel besser gewesen. Aber statt dessen schüttelte ich verstockt den Kopf und vermied seinen Blick. Darauf seufzte Gottschalk, wie Männer eben seufzen, wenn ihre Frau sich völlig unverständlich beträgt.
»Ich nehme an, daß dein eigenartiges Verhalten von deinem Zustand herrührt. Leg dich hin, hoffentlich geht es dir morgen wieder besser.«
Es ging mir am folgenden Tag keineswegs besser, denn ich hatte in der Nacht eine Fehlgeburt - die einzige meines Lebens. Ich blutete entsetzlich und war danach so schwach, daß ich gar nicht recht wahrnahm, wie sich meine Mutter, Tante Engilradis, die unvermeidliche Äbtissin von St. Ursula und schließlich auch noch ein jüdischer Arzt, den sie erst dann riefen, als schon kaum mehr Hoffnung war, um mich
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