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Die Tuchhaendlerin von Koeln

Die Tuchhaendlerin von Koeln

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kuhlbach-Fricke
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mitnehmen. Du hast Constantin noch nie gesehen, aber ich habe dir schon sehr viel von ihm erzählt - ich hoffe, daß er dich antreffen wird, du wirst ihn ins Herz schließen.
    Während du bei deinen Eltern weilst und darauf hoffst, daß entrissene Herzogskronen zurückkehren, sitze ich in Köln, erziehe meine Kinder, kümmere mich um meine Eltern, gehe meinen Geschäften nach und hoffe darauf, daß zerbrochenes Vertrauen zurückkehrt.
    Laß mich dir mein Herz ausschütten:
    Ich saß an einem sonnigen Tag in meinem Kontor und rechnete nach, wieviel Abgaben Gottschalk und ich in diesem Jahr an den Stadtkämmerer zu entrichten hätten. Es war ziemlich ruhig; Gunther und Richolf, meine beiden ältesten Söhne, sind jetzt Lehrlinge bei Vetter Constantin. Gerhard geht noch in Fordolfs Schule. Blithildis, mein kleines Feuerteufelchen (ich nenne sie so, weil sie ganz eindeutig das Temperament und auch das Aussehen ihres Vaters hat), war mit ihrem Bruder Henrich zu Besuch bei Tante Engilradis, und nur mein kleiner Gottschalk lief bei mir herum, kletterte
auf Stühle und Bänke, fand mein Strickzeug und zerrupfte es und schaffte es auf vielerlei Art, meine Aufmerksamkeit von meinen Rechnungen fernzuhalten. Aber diesem kleinen Burschen kann man einfach nicht böse sein, er ist so drollig und wissbegierig, und er wärmt mein Herz.
    Da es so still im Haus war, konnte ich hören, wie mein Gehilfe unten im Laden mit jemandem sprach. Dann zog er an der Schnur, die durch ein Loch in der Decke heraufführt und an der neben meinem Arbeitsplatz eine kleine Glocke hängt - eine sehr einfache Methode, wenn er mich zu rufen wünscht.
    Ich griff mir also meinen kletterfreudigen Sohn, brachte ihn in die Küche in die Obhut der Kinderfrau, welche dort mit der Köchin die Abendmahlzeit vorbereitete, und ging hinunter in den Laden.
    ›Hier ist ein Weib, das nach Herrn Gottschalk fragt‹, murmelte der Gehilfe und verschwand im Lager.
    In der Tür stand eine sehr junge Frau. Sie trug ein Pilgerkleid, schon etwas fadenscheinig und geflickt. Ein schlafendes Kind lag in ihrem Arm, den Kopf in die Halsbeuge der Mutter geschmiegt.
    ›Ich heiße Gunhild‹, sagte sie, und sie sprach mit einem starken Akzent, den ich nicht kannte. ›Ich wollte fragen, ob Herr Gottschalk zu sprechen ist.‹
    ›Er wird nicht vor morgen nach Hause kommen. Kann ich Euch behilflich sein?‹ fragte ich.
    Sie seufzte tief und enttäuscht.
    ›Ach, ich dachte, jetzt wäre ich endlich am Ziel, und nun ist er nicht da‹, sagte sie unglücklich.
    Ich wurde ungeduldig.
    ›So sagt mir doch, um was es geht, vielleicht kann ich Euch ja weiterhelfen. Ich bin seine Frau Sophia‹, sagte ich energisch.
    Die junge Frau stieß einen Schrei aus und preßte eine Hand vor den Mund. Das Kind schrak aus dem Schlaf hoch.
    ›Seine Frau? Aber er sagte doch, er sei nicht -‹
    Sie brach ab und sah mich völlig hilflos an.
    Mir lief es eiskalt den Rücken herunter. Ich hätte sie am liebsten hinausgeworfen, aber ihr ängstlicher, verstörter Blick hielt mich zurück. Und da war auch noch das Kind, das mir sein kleines Gesicht zuwandte. Ich verstand. Ich wußte, wie Gottschalks Kinder aussahen.
    Gunhild strömten nun die Tränen über das Gesicht. ›Verzeiht‹, brachte sie mühsam hervor. ›Ich wußte wirklich nicht …‹
    Ich sah draußen eine Frau auf unseren Laden zusteuern, die zu den schlimmsten Klatschbasen der Stadt gehörte.
    ›Geht da hinauf‹, sagte ich darum hastig und wies auf die Treppe. Dann rief ich den Gehilfen in den Laden zurück und stieg hinter meinem ungebetenen Gast nach oben.
    Sie weinte noch immer herzzerreißend und stammelte immer wieder: ›Ich wußte es nicht, ich wußte es wirklich nicht. Oh Gott, was soll nun aus uns werden?‹
    Ich ließ sie in der Stube Platz nehmen und sah sie genauer an. Sie war blaß und ausgezehrt; das Kind aber sah gesund und munter aus, und es ähnelte meinem kleinen Gottschalk wie ein Ei dem anderen.
    ›Wartet einen Augenblick‹, sagte ich, ging in die Küche, holte Brot und Milch und verbat mir für die nächste Stunde jede Störung.
    Sie sah gierig auf den Teller, den ich vor sie hinstellte, zögerte aber zuzugreifen.
    ›Nun nimm schon‹, sagte ich und merkte gar nicht, daß ich sie nun mit du anredete, ›ihr werdet hungrig sein, du und das Kind.‹
    Als der Teller leer war, schaute sie mich unsicher an. »Glaubt mir, ich wußte es nicht«, sagte sie wieder.
    ›Da geht es dir wie mir. Ich weiß auch nichts‹, sagte ich

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