0968 - Ritter, Blut und Teufel
Seit fünf Jahren war Belinda Moore Lehrerin, doch es gab Zeiten, da verfluchte sie ihren Job. Dann war es ihr lieber, eine Horde Flöhe zu hüten als vierzehn Kinder, mit denen sie an diesem Tag ins Museum gehen mußte.
Ja, mußte, denn das Wetter ließ ein Vergnügen im Freien nicht zu, wie es eigentlich geplant worden war. So würden sie ein bis zwei Stunden im Museum verbringen. Belinda wußte, daß es vielen Kindern dort sehr schnell langweilig wurde, obwohl interessante Gegenstände aus alter Zeit besichtigt werden konnten.
Eine Mutter, Mrs. Goldman, hatte sich zum Glück bereit erklärt, sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Sie würde mithelfen, auf diese wilde Horde achtzugeben. Darunter befand sich auch ihr Sohn Benny, ein besonders lebhaftes und unruhiges Kind. Davon konnte die Lehrerin ein Lied singen.
Vor dem Museum hatten sie sich verabredet. Als Belinda Moore ihren Mini auf einem in der Nähe liegenden Parkplatz abstellte, hatte sie Glück, da der Regen gerade eine kleine Pause einlegte. Das Pflaster war naß, große Pfützen schimmerten und waren für die Schulkinder zu einem Quell der Freude geworden. Einige Jungen sprangen immer wieder hinein, um die Mädchen naßzuspritzen. Die schrien zwar, brachten sich aber nicht in Sicherheit.
Beim Aussteigen stellte Belinda fest, daß sich auch Benny Goldman unter den tobenden Jungen befand, obwohl seine Mutter schon eingetroffen war und zuschaute. Aber sie war zu sehr mit dem Softeis beschäftigt, an dem sie voller Hingabe leckte und es sich schmecken ließ, obwohl sie vom Gewicht her einige Pfunde zuviel drauf hatte. Um das helle Lockenhaar hatte sie ein buntes Kopftuch gebunden, denn die schwarze Farbe des Regenmantels war schon trist genug.
Ab und zu warf sie einen Blick zu den Kindern hin, die sich daran nicht störten und unbeirrt weitermachten. Trotz ihrer Regenkleidung würden sie ziemlich naß das Museum betreten, nicht gerade zur Freude des Personals.
Die Lehrerin schloß den Wagen ab. Manchmal fragte sie sich, ob sie den richtigen Job gewählt hatte oder einfach nur zu nachgiebig war. Früher war man zu den Kindern strenger gewesen. Auch heute noch gab es Schulen, wo Disziplin und Ordnung herrschten und sogar geschlagen wurde, aber diese Überbleibsel aus der alten Zeit waren nicht ihr Fall. Belinda lehnte die Prügelstrafe ab, weil sie wußte, daß die Kinder, wenn sie einmal erwachsen waren, das ihren eigenen Kindern wieder zurückgeben würden.
Mrs. Goldman hatte sie bereits gesehen und winkte ihr mit der freien Hand zu. Ansonsten leckte und schlürfte sie auch noch die letzten Eisreste in sich hinein.
Belinda wartete, bis die Frau auch das Hörnchen verspeist hatte.
Sie sah den glücklichen Ausdruck auf Mrs. Goldmans Gesicht, das einem runden Weihnachtsapfel glich.
»Nun? Hat es geschmeckt?«
Mrs. Goldman nickte. »Ja, das hat es. Das mußte auch so sein, denke ich. Ich bekam plötzlich einen Heißhunger auf Softeis. Das war wie eine Sucht. Außerdem habe ich heute morgen sehr wenig gegessen, nur etwas Rührei mit Speck, und die Führung wird auch ihre Zeit in Anspruch nehmen, denke ich mir.«
»Mit zwei Stunden können wir rechnen.«
»Eben, Miß Moore, eben.« Sie schaute sich um. »Sehen Sie, Ihre Schützlinge sind alle da.«
»Ja«, erwiderte die Lehrerin seufzend. »Ich habe es schon festgestellt. Sie sind auch naß.«
Elsa Goldman winkte ab. »Meine Güte, das sind Kinder. Die sollen sich freuen. Das Leben wird sie noch genug zeichnen und ihnen alles abverlangen.«
»Da haben Sie leider recht, Mrs. Goldman.«
Die Frau im dunklen Mantel blickte auf die Uhr. »Noch zwei Minuten, ich denke mal, wir können so langsam.«
»Stimmt.«
»Die Kinder sollen sich hintereinander aufstellen, bevor sie mit Ihnen hineingehen.«
»Ja, dafür sorge ich.«
»Ist auch gut so.« Elsa Goldman lächelte verschmitzt. »Ein wenig Disziplin tut immer gut.« Sie ließ Belinda stehen und schritt auf die Kinder zu, die immer noch fröhlich durch die Pfützen sprangen.
Belinda Moore wartete noch. Sie betrachtete das Museum erst von außen. Es war ein altes Haus, wie es sich eben für ein Museum gehörte, in dem Dinge aus dem Mittelalter ausgestellt wurden.
Die Ziegel mußten mal rot gewesen sein, jetzt aber zeigten sie mehr eine braune Farbe. Die Umweltverschmutzung war sicherlich auch dafür verantwortlich.
Der Bau hatte einen hohen Giebel. Eine nasse Fahne klebte dort am waagerechten Mast. Die Fenster wirkten ebenfalls grau und
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