Die Tuchhaendlerin von Koeln
streng. ›Du mußt mir schon erzählen, was geschehen ist.‹
Und so erzählte sie mir ihre Geschichte. Sie war die jüngste Tochter des Schneidermeisters, bei dem Gottschalk sich damals in Schleswig eingemietet hatte. Mein Ehemann hatte dort ja nichts zu tun und hat angefangen, mit ihr zu tändeln. Er hat ja immer gern mit Frauen gescherzt, und da Gunhild damals vermutlich noch nicht so blaß und abgehärmt war, hat sie sicher recht reizvoll ausgesehen. Und eine leichte Beute war sie für ihn geworden, was hatte sie seinen Verführungskünsten auch entgegenzusetzen?
›Ich schwöre Euch, das wäre nie geschehen, wenn ich gewußt hätte … Ich warf einmal hin, gewiß hätte er eine Frau und Kinder, und er lachte und schüttelte den Kopf. Er sagte: Ich doch nicht! Und seine dunklen Augen funkelten dabei so, daß ich ganz schwach wurde.‹
Als ich das hörte, wurde ich auch ganz schwach, aber vor Wut und Zorn und Kummer. Ich weiß schließlich genau, wie seine Augen funkeln können. Verleugnet hat er mich, und unsere Kinder dazu! Und ein junges, unerfahrenes Mädchen hat er betört und verführt. Gunhild war damals sicher noch keine fünfzehn. Ihre Versuche, sich zu rechtfertigen und mir zu erklären, wie er das angestellt hatte, wehrte ich freundlich, aber höchst bestimmt ab. Sie begriff gar nicht, wie kränkend das für mich zu hören gewesen wäre. Sie war eben noch immer ein etwas einfältiges, höchst unschuldiges Kind. Treuherzig zeigte sie mir eine Kette mit einem Stein daran, die er ihr geschenkt und die sie als Zeichen seiner immerwährenden Liebe gewertet hatte. Ein billiges Ding. Ein kostbareres Geschenk war ihm ihre Unschuld wohl nicht wert gewesen.
Und Gottschalk? Als sich ihm dann die unverhoffte Gelegenheit zur Abreise bot, fuhr er Hals über Kopf ab. Ein flüchtiges Winken, und fort war er.
Und sie blieb fassungslos zurück.
Daß sie schwanger war, merkte sie erst viel später. Sie
hatte ja keinerlei Erfahrung. Ihr Vater merkte es auch, und er beschimpfte sie als Hure und warf sie erbarmungslos aus dem Haus. Da stand sie nun auf der Straße, hilflos und ohne Mittel. Ihre älteste Schwester war Nonne, also ging sie zu deren Kloster und bat um Hilfe. Auf den Knien hatte sie gelegen mit ihrem dicker werdenden Bauch und die Klosterböden gescheuert, bis das Kind geboren wurde. Es war ein Knabe, und sie lachte und weinte gleichzeitig und nannte ihn Waldemar, nach dem dänischen König.
Ein Jahr lang blieb sie im Kloster; dann aber sagte ihr die Äbtissin, sie müsse sich jetzt entscheiden. Als Nonne könne sie nicht aufgenommen werden, denn niemand würde eine Mitgift für sie zahlen. Als Magd, das ginge schon. Aber das Kind könne sie dann nicht bei sich behalten, es sei ja ein Knabe und würde folglich einmal ein Mann. Ihn könne man im Kloster nicht brauchen.
Sich von dem Kind trennen? Niemals. Gunhild beschloß, nach Köln zu reisen und Gottschalk aufzusuchen. Wenn er sähe, was für einen wunderschönen Sohn er hätte, würde er sie gewiß zur Frau nehmen. Sie grübelte noch darüber nach, wie sie nach Köln käme; dann kam eine Pilgerschar vorbei, denen für verschiedene Sünden, über die sie sich entweder nicht äußerten oder über die sie von früh bis spät redeten, eine Wallfahrt auferlegt war. Meistens durften sie das Ziel der Wallfahrt selbst wählen. Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela - alles hochberühmte Orte, aber alle sehr weit entfernt. So fiel die Wahl auf das näher gelegene Köln mit den Gebeinen der Heiligen Drei Könige.
Gunhild beschloß, mit ihnen zu ziehen. Sie bat die Äbtissin also um ein Pilgerkleid und zog mit ihrem kleinen Sohn davon. Ein Pilger hatte Anspruch auf eine Abendsuppe, ein Nachtlager und einen Morgenimbiß, dazu einen Zehrpfennig, davon konnte sie sich notdürftig ernähren. So wanderten sie gemeinsam durch das Land, und wenn sich keine Pilgerherberge
fand, nahmen die Bauern sie auch um Gotteslohn für eine Nacht auf.
Aber die Zeiten waren schlecht, und die Menschen durch den Krieg verarmt. Die Abendsuppe war oft sehr wässerig und der Morgenbrei so dünn, daß man den Tellerboden hindurchscheinen sah. Gunhild sparte sich so manchen Bissen am Mund ab, um das Kind satt zu bekommen. Sie waren drei Monate unterwegs gewesen, die Schuhe waren durchgelaufen, ihre Füße voller Schwielen und Blutblasen.
Gestern abend hatten sie Köln erreicht, hatten vor den Mauern der Stadt geschlafen, weil die Stadttore schon geschlossen waren. Im ersten Frühlicht
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