Die Tuchhaendlerin von Koeln
man hörte es am Jubel. Und dann sah ich ihn. Es war lange her, daß ich ihn in Braunschweig getroffen hatte, aber ich hätte ihn dennoch erkannt - zu groß war die Ähnlichkeit mit seinem Vater, dem Löwen. Er strahlte und winkte in die Menge, seine dunklen Augen blitzten. Ich hielt eine Blume in der Hand, die wollte ich eigentlich auf seinen Weg werfen, aber statt dessen flog sie dem Prinzen an den Kopf. Er fing sie auf, lachte, suchte in der Menge - und, anders als bei seiner Großmutter damals, fiel sein Blick auf mich. Er schaute gleich weiter über die Köpfe, suchte offenbar nach einem jungen Mädchen, das die Werferin gewesen sein mochte, dann kam sein Blick zu mir zurück. Er lenkte sein Pferd etwas zur Seite und hielt an.
»Sophia?« fragte er ungläubig. Ich konnte es nicht fassen. Es war so lange her; daß er mich noch wiedererkannte! Aber freilich hatte ich mich nicht mehr so sehr verändert wie er in seiner Jugend. Ich nickte ihm begeistert zu. Jetzt blickte auch der Erzbischof herüber und wollte sehen, was den Prinzen aufhielt. Otto sagte etwas zu ihm, was ich bei der lauten Menschenmenge nicht hören konnte, und rief mir dann zu: »Sophia, wir sehen uns später.«
Auf einen Wink des Erzbischofs kam einer seiner Reiter zu mir und fragte mich nach meinem Namen und nach unserem Haus. Dann lud er mich ein, am abendlichen Begrüßungsmahl teilzunehmen - mitsamt meinem Gatten, natürlich.
Und so kam es, daß ich mit Gottschalk doch wieder, wenn auch weit unten, an einem Fürstentisch saß, obgleich ich gedacht hatte, diese Zeiten seien nun endgültig vorbei. Übrigens waren wir nicht allein unter den Edelleuten der fürstlichen Hofhaltung: Mein Vetter Constantin war anwesend und Simon, welcher die Burggrafschaft als Pfand erworben hatte und der darum »comes« genannt wurde, auch die vornehme
Rigmudis, Witwe und Schwiegertochter von Kölner Vögten, die dabei war, aus ihrem bedeutenden Besitz ein großes Frauenkloster zu gründen und auszustatten.
Ja, Erzbischof Adolf brauchte eben viel Geld. Er hatte gehofft, die Fürsten würden dafür bezahlen, wenn er ihnen zur Wahl verhalf - aber nein, die Rechnung ging nicht auf. Er selbst war es, der große Mittel aufbringen mußte, wollte er seine Absichten verwirklichen. Woher nehmen? Er lieh, er verpfändete, er borgte - bei den reichen Kölnern. Constantin machte glänzende Geschäfte, ließ sich wertvolle Sicherheiten verschreiben und Pfänder überantworten - und er beteiligte die ganze Sippe.
Auch in den folgenden Tagen kam der Prinz des öfteren in unser Haus und ließ sich von mir immer wieder erzählen, was ich ihm von seinen Eltern berichten konnte, die er in ihren letzten Jahren nicht mehr hatte sehen dürfen.
Inzwischen arbeitete der Erzbischof fieberhaft. Boten kamen und gingen, seine Sekretäre waren vor lauter Arbeit dem Zusammenbruch nahe. Bischöfe und Fürsten vom Niederrhein und aus Lothringen reisten an und brachten ihr anspruchsvolles Gefolge mit, es wurde nach Kräften geschmaust, gezecht und eingekauft. Als im Monat Juni die letzten, ernsthaften Verhandlungen und Besprechungen stattfanden, erschien ein besonderer Stern am Himmel.
Das gab ein großes Aufsehen, weil jedermann dies für ein gutes Vorzeichen hielt. Am 9. Juni wurde dann Otto von Braunschweig, Graf von Poitou und Herzog von Aquitanien, zum König gewählt.
An diesem Tag zündete ich in drei Kirchen große Kerzen an, sprach Dankgebete und dachte daran, wie glücklich meine liebe Mathilde und ihr Löwe an diesem Tag gewesen wären. Sie hatten so große Hoffnungen gehegt, die brutal zerschlagen
worden waren und sich nun wider alles Erwarten doch noch erfüllten.
Nun ist es mit der Wahl allein ja noch nicht getan. Ein König muß auch feierlich gekrönt werden, sonst gilt er nicht als König. Und das hat, so wollen es Herkommen und Brauch, in Aachen zu geschehen, durch den Kölner Erzbischof, mit den Reichsinsignien. Was das ist? Nun, soviel ich weiß, gehören dazu ein Reichsschwert, eine Reichskrone (jeder Fürst hat eine oder auch mehrere Kronen, aber dies ist eine besondere, die nur bei der Königskrönung getragen wird), die Heilige Lanze, ein Krönungskreuz und ein uraltes Evangeliar, auf das der König seinen Eid ablegt. Vielleicht gehört auch sonst noch etwas dazu, aber mehr weiß ich nicht.
Und nun wurde es schwierig. Der Kölner Erzbischof stand Otto nur allzugern zur Verfügung, aber die Stadt Aachen hatte bedeutet, sie sei staufertreu und wolle keine
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