Die Tuchhaendlerin von Koeln
und meine Enkel.«
»Ich kenne deine Ängste, Sophia«, sagte König Otto sanft. »Ich kann mich noch erinnern, wie meine Mutter sich gegen die Belagerung durch Kaiser Friedrich rüstete und wie sie sich den Kopf darüber zerbrach, wo sie uns Kinder verstecken könnte, falls er ihre Stadt erobern sollte. Aber nun ist die Gefahr ja gebannt. Möchtest du mir die Freude machen und mir wieder von meinen Eltern erzählen?«
Und so setzte ich mich neben ihn, während er hungrig den Rest unseres Frühbreis mit Honig und Butter verschlang, und erzählte ihm. Otto war ein Mensch, der sehr an seiner Familie hing. Nachdem seine Eltern tot und seine Geschwister in alle Winde zerstreut waren, hatte er sich viel bei seinem Onkel Richard Löwenherz aufgehalten, aber der englische König war im letzten Jahr gestorben. Bei einem belanglosen Gefecht hatte ein Pfeil ihn in der Halsbeuge getroffen. Die Verwundung war gar nicht einmal so schwer, aber acht Tage später starb der König am Wundbrand, in den Armen seiner schmerzerfüllten Mutter, Königin Alienor. Otto hatte damit nicht nur einen Onkel verloren, an dem er persönlich sehr hing, sondern auch seinen Gönner, denn der neue König, Richards letzter Bruder Johann Ohneland, machte sich wenig aus seinen Verwandten.
Nach einer Stunde fiel mir nichts mehr ein. Nicht alles, was ich von Mathilde im Vertrauen erfahren hatte, war geeignet für die Ohren ihres Sohnes.
»Warum heiratet Ihr nicht und gründet selbst eine Familie?« fragte ich spontan. Aber Otto winkte ab.
»Du weißt sicher nicht, Sophia, daß ich mit Maria von Brabant verlobt bin, der Tochter von Herzog Heinrich. Aber sie ist erst zehn Jahre alt und kann ruhig noch ein paar Jahre bei ihren Eltern bleiben.«
Er erhob sich und streckte sich.
»Leider muß ich jetzt gehen. Meine Reiter draußen sind sicher schon böse auf mich, daß ich sie so lange in der Kälte habe warten lassen.«
»Das sind sie nicht«, erklärte ich. »Ich habe sie im Pferdestall untergebracht. Da sitzen sie im Warmen, und Bier und Brot habe ich ihnen auch bringen lassen.«
Otto lachte.
»Du bist wirklich fabelhaft, Sophia. Ich bin sehr gern in deiner Gesellschaft, denn du erinnerst mich an meine glückliche Kindheit in Braunschweig, an meinen großartigen Vater, an meine wundervolle Mutter. Nun leb wohl. Darf ich wiederkommen?«
»Sooft Ihr Zeit und Lust habt, Majestät«, sagte ich.
König Otto bedachte unsere Vaterstadt auch im folgenden Jahr reichlich. Man sollte denken, daß Erzbischof Adolf ihm dafür dankbar gewesen wäre, aber dem war nicht so. Gottschalk, der teilweise die Funktionen meines Vetters Constantin übernommen hatte und als Haupt meiner Sippe galt, bezahlte jetzt mehrere Informanten in der erzbischöflichen Kanzlei und hatte bald den Verdacht, daß unser Fürst es mit der Treue zu dem von ihm selbst gewählten und gekrönten König nicht mehr so genau nahm. Im Jahr 1204 trat er dann offiziell auf die Seite des anderen Königs, Philipp von Hohenstaufen. Die einflußreichsten Kölner versuchten vergeblich, ihn wieder auf Ottos Seite zu ziehen, aber Adolf ließ sich nicht davon abhalten, am Dreikönigstag des Jahres 1205 nunmehr Philipp und seine byzantinische Gemahlin Irene zu krönen, und zwar in Aachen. Dieses
Mal war es der richtige Ort, der richtige Erzbischof, und die echten Reichsinsignien hatte Philipp ja sowieso.
Ich besuchte an diesem Tag Otto, um ihn aufzuheitern. Er lag verwundet in unserer Stadt, denn er hatte sich, man soll es nicht glauben, an seinem eigenen Schwert verletzt, als er sein Pferd besteigen wollte, um Philipp auf seinem Weg nach Aachen aufzuhalten. Von solch einem peinlichen Ungeschick hatte ich noch nie gehört!
Einige Tage später gab Adolf eine Erklärung zugunsten seiner Münzer heraus, die deren Rechte erheblich stärkten. Solange sie dem vom Erzbischof eingesetzten Münzmeister gemäß dem Münzrecht gehorchen wollten, waren sie nur diesem verantwortlich und konnten weder vor das erzbischöfliche noch vor ein anderes Gericht gezogen werden. Ach, hätte mein Vetter Constantin dies noch erlebt! Das hätte ihn, den langjährigen Münzmeister, in seiner Bedeutung in unserer Stadt noch gesteigert. Ich sah darin ein weiteres Zeichen, daß die Bürger an Einfluß gewannen und der Erzbischof ihnen Zugeständnisse machte, um sich ihrer Unterstützung zu versichern.
Übrigens hat dem Papst die Eigenmächtigkeit, mit der Erzbischof Adolf Könige aussuchte und krönte, nicht gefallen,
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