Die Tuchhaendlerin von Koeln
als ich. Engilradis war etwa so groß wie ich. (Ich bin nicht erst im Alter so klein geworden, sondern war auch früher schon sehr zierlich.) Engilradis hingegen war untersetzt, wie ihre Mutter, hatte aber Constantins schöne, klare Gesichtszüge geerbt und auch sein herrliches blondes Haar. Sie war viel hübscher als die arme Druda, die groß und derb war, aber ein herzensguter, lieber Mensch. Die beiden Stiefschwestern waren seit ihrem fünften Lebensjahr unzertrennlich, seit Constantin vor zehn Jahren Drudas Mutter Friederun heiratete.
Druda begann sofort, uns den Kuchen wegzufuttern. Sie hatte immer Hunger, und man sah auch, wo es blieb.
»Sollen wir es ihnen sagen?« mümmelte sie mit vollem Mund und streckte die Hand nach dem letzten Kuchenstück aus. Engilradis lachte, klapste ihr auf die Hand und nahm sich rasch das Stück selbst.
»Natürlich. Glaubst du, eine so aufregende Neuigkeit kann ich für mich behalten?«
Fordolf verdrehte die Augen und dachte gewiß: Mädchen konnten einem manchmal ganz schön auf die Nerven gehen.
»Jetzt bin ich aber neugierig«, sagte ich freundlich. »Rückt schon heraus mit eurer Neuigkeit!«
Engilradis und Druda sahen sich an und kicherten.
»Wir werden heiraten«, sagten sie dann wie aus einem Mund.
Das gab mir einen Stich. Dabei war es die normalste Sache der Welt. Die beiden Mädchen waren fünfzehn, da heiratet man eben. Nur ich nicht. Ich war fast neunzehn. Aber schließlich wollte ich ja auch niemand heiraten.
Ich riss mich zusammen.
»Das ist ja eine wirklich gute Nachricht«, sagte ich herzlich, und ich meinte es ehrlich, weil ich die beiden sehr gern mochte. »Allerdings ist es noch keine vier Wochen her, da habt ihr mir noch erzählt, ihr wolltet gemeinsam ins Kloster gehen, oder nicht?«
»Schon«, sagte Druda, schnappte Engilradis den letzten Bissen aus der Hand und steckte ihn eilig in den Mund. »Das wollten wir auch. Aber Vater meint, ein lieber, netter, hübscher junger Mann würde uns viel glücklicher machen als das Klosterleben.«
»Na, so etwas!« Ich mußte lachen.
»Und auf welche lieben, netten, hübschen jungen Männer habt ihr euer Auge geworfen?«
»Ich heirate Hildeger Hardefust«, sagte Engilradis froh.
Donnerwetter. Eine der ersten Familien. Ich nickte beifällig. Ich kannte Hildeger, da hatte Constantin eine hervorragende Wahl getroffen. Der alte Hardefust hatte noch voriges Jahr bei meinem Vater angefragt, aber ich hatte den Kopf geschüttelt. Nun bekam ihn Engilradis.
»Und du, Druda?«
»Ich heirate Cunrad. Du weißt schon, den Sohn vom fetten Sigewin.«
Keine so glänzende Partie wie der junge Hardefust, aber eine anständige, gutangesehene und wohlsituierte Familie. Und Drudas glückstrahlendes Gesicht bestätigte, daß ihr dieser Bräutigam sehr recht war.
Übrigens erfuhr ich, daß Constantin den beiden Mädchen die Wahl gelassen hatte.
Die Doppelhochzeit sollte im September gefeiert werden, und wir redeten noch lange miteinander.
Ich kam zu spät zum Abendessen und wollte gleich mit den Neuigkeiten herausplatzen, als Vater sagte: »Hast du schon gehört, Sophia? Unsere Leute sind aus Byzanz zurück.«
Fast wäre mir der Löffel in die Suppe gefallen. Ich riss mich zusammen. »Sind jetzt alle wieder da?«
»Leider nein«, sagte Vater betrübt. »Zwei werden nicht mehr heimkehren.«
»Constantin sprach nur von dem Sohn des Wolbero vom Spiegel …« wandte ich ein.
»Ja, der wurde bei dem Überfall erschlagen. Aber ein weiterer Mann hat dabei so schwere Verletzungen erlitten, daß er nach einigen Wochen daran gestorben ist.«
»Wer ist es?« fragte ich, und mein Herz schlug mir bis zum Hals.
»Du kennst ihn nicht. Es ist der jüngste Sohn von Heinrich dem Speermacher. Nun kamen Hermann Hirzelin und Gottschalk allein zurück.«
»Gott sei seiner Seele gnädig«, sagte meine Mutter, und ich schlug ein Kreuz. Es sauste mir in den Ohren, und mir war schwindlig. Vor Aufregung konnte ich keinen Bissen mehr hinunterbringen, entschuldigte mich bei meinen Eltern und ging zu Bett. Aber geschlafen habe ich in dieser Nacht nicht.
Es vergingen zwei oder drei Tage. Ich war hektisch und nervös, bestand darauf, mit der Köchin auf dem Markt einzukaufen, obwohl Mutter mich im Geschäft gebraucht hätte, vergaß Aufträge, war nicht bei der Sache. Ich besuchte Großvater Eckebrecht, meinen Zufluchtsort, aber Großvater
hatte gerade einen gichtigen Zeh und war grimmig und unausstehlich. Dann ging ich zu dem jungen Fordolf, um
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