Die Tuchhaendlerin von Koeln
Sonne scheint, es ist wunderschön draußen«, sagte sie und stieß den Fensterladen auf.
»Jetzt hätte ich Lust, auf die Jagd zu gehen. Schade, daß die Männer nicht da sind. Aber wir könnten wenigstens kurz ausreiten. Ich habe eine ganz, ganz sanfte Stute, auf die kannst auch du ohne Angst steigen. Los, steh schon auf.«
Ich war ein kleines bißchen beleidigt. Natürlich bin ich das Reiten nicht von Kindesbeinen an so gewohnt wie die Herzogin, aber ich falle auch nicht sofort vom Pferd. Ich schwang die Beine aus dem Bett und wollte ans Fenster gehen, als mir plötzlich schrecklich übel wurde. Mathilde sah, wie ich mir die Hand vor den Mund preßte, und hielt mir geistesgegenwärtig die Waschschüssel unter den Kopf, als ich mich übergab. Dann war der Anfall vorbei, und ich ließ mich wieder auf den Strohsack sinken.
»Es tut mir leid. Ich sollte vielleicht besser nicht ausreiten«, murmelte ich. Mathilde setzte sich neben mich und streichelte meine Hand.
»Ist der Arzt mit Herrn Heinrich geritten?« fragte ich mit schwacher Stimme. Mathilde lächelte und schüttelte den Kopf.
»Könnte es nicht einfach sein, daß du ein Kind erwartest, Sophia?« fragte sie mich. Ich rechnete nach. Mein letzter Mondfluß war kurz nach der Hochzeit gewesen. Das war zwei Monate her.
Ich vergaß die Übelkeit, und eine große Freude breitete sich in mir aus.
»Vielleicht habt Ihr recht. Hoffentlich habt Ihr recht«, sagte ich. Mathilde lächelte mich liebevoll an, dann aber seufzte sie.
»Du bist erst so kurz verheiratet, und ich schon eineinhalb Jahre«, meinte sie betrübt. »Ich möchte auch so gern ein Kind.«
Ich drückte ihre Hand. »Hoheit …« begann ich, aber Mathilde unterbrach mich.
»Ich habe es gründlich satt, daß du mich Hoheit nennst. Du bist meine liebste Freundin. Kannst du nicht einfach Mathilde zu mir sagen?«
Ich zögerte. »Es schickt sich nicht für eine Kaufmannstochter…«
»Das ist mir gleich. Aber ich kann ja meinen Löwen bitten, daß er deinen Mann zum Ritter schlägt und ihm einen Herrensitz schenkt, willst du das?«
Darüber mußte ich sehr lachen. »Es reicht mir, wenn Gottschalk mein Ritter ist. Also gut. Ich will gern Mathilde zu dir sagen. Aber vielleicht nur, wenn wir allein sind.
Und mit dem Kind -«
»Ja, ich weiß schon. Mein Löwe sagt auch immer, ich sei noch zu jung für eine Schwangerschaft, sie könnte mein Leben gefährden, und das sei ihm das Kostbarste, was er besitzt. Ist das nicht schön von ihm? Seine Mutter wurde mit zwölf Jahren an den bayrischen Herzog Heinrich den
Stolzen verheiratet, sie bekam meinen Löwen mit vierzehn, und die Geburt hat sie um ein Haar das Leben gekostet.«
Ich staunte immer wieder über die junge Herzogin. Sie war ja erst dreizehn Jahre alt, aber weil sie so hoch gewachsen war und sehr klug und vernünftig, schien sie wesentlich reifer.
Dann fiel mir noch etwas ein.
»Die Kaiserin war auch erst zwölf Jahre, als sie Barbarossa heiratete. Erst fünf Jahre später wurde sie Mutter, aber seitdem kommt fast jedes Jahr ein Kind, wie man hört.«
Dies, fand Mathilde, sei ein nachahmenswertes Beispiel.
Bald darauf brach ein unvermutet früher, heftiger Winter ein. Es schneite tagelang. Wenn wir die Burg verließen, stapften wir bis zu den Knien im Schnee. Mathilde, Gertrud und ich vergnügten uns wie die Kinder damit, uns mit Schneebällen zu bewerfen. Gertrud und ich errichteten zusammen einen großen Schneemann mit einer Möhre als Nase und zwei Haselnüssen als Augen. Mathilde aber baute einen Dom aus Schnee und sagte, solch ein Bauwerk sei ihr angemessen, nicht eine solche Kinderei wie unser Schneemann.
Kurz, wir hatten eine herrliche Zeit - wenn ich mich nur nicht so sehr nach meinem Mann gesehnt hätte.
Aber Mathilde gab sich keineswegs nur Zeitvertreib hin. Sie vertrat den Herzog in seiner Abwesenheit. Er hatte ihr Adalbert, einen alten Kleriker, als Berater dagelassen, der römisches Recht in Bologna studiert, sich aber auch mit dem alten sächsischen Recht beschäftigt hatte. So hielt Mathilde jeden Monat einmal einen Gerichtstag ab. Gründlich, wie sie war, hörte sie an einem Tag zunächst einmal nur die Klagen an; dann beriet sie jeden Fall ausgiebig mit Adalbert, und erst am dritten Tag sprach sie dann die Urteile.
»Über schwierige Fälle muß man erst eine Nacht schlafen«,
sagte sie. Sie nahm auch die Klage eines kleinen Bauern sehr ernst, und ich glaube nicht, daß sie jemals leichtfertig geurteilt hat.
Außerdem
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