Die Tuchhaendlerin von Koeln
dicke Adelgunde machte viel Aufhebens um mich. Ich vermute, sie hätte mich lieber als Frau eines ihrer Söhne gesehen, aber sie war trotzdem aufrichtig freundlich zu Gottschalk.
Ich bat Patroklus, mit mir zu Samuel zu gehen; aber ich mußte erfahren, daß er im Sommer verstorben war. Das tat mir leid. Ein Jugendfreund und späterer Feind meines geliebten Großvaters war für immer gegangen, und ich hätte sie so gern miteinander ausgesöhnt.
Nachdem Gottschalk Wachs und Honig an Hildebrand verkauft und dafür flandrisches Tuch erstanden hatte, kehrten wir nach Hause zurück. Dort erwarteten uns große Neuigkeiten: Mein Vetter Constantin hatte völlig unerwartet eine dritte Ehe geschlossen. Zum fassungslosen Erstaunen des ganzen Kölschen Klüngels hatte er die blutjunge Jüdin Elizabeth geheiratet, die Tochter des nicht gerade wohlhabenden Krämers Zacheus. Das war ein gefundenes Fressen für die Kölner Klatschmäuler! Niemand konnte begreifen, warum er das getan hatte; sie hatte weder Geld noch Verbindungen und war nicht einmal besonders schön. Und dann: eine Jüdin! Natürlich war sie vor der Hochzeit getauft worden, aber dennoch …
Kurz darauf hatte es in Zacheus’ Haus gebrannt, und im oberen Stockwerk war Elizabeths kleine Schwester Sara vom Feuer eingeschlossen. Das Kind schien zu einem entsetzlichen Tod verdammt zu sein, aber Constantin hatte es gewagt, in das in hellen Flammen stehende Haus einzudringen und die Kleine herauszuholen. Dabei hatte er gefährliche Brandwunden
davongetragen, und seine berühmte Schönheit war nun dahin. Die Familie liebte ihn aber um so inniger, und ganz besonders seine junge Frau, die sich zunächst heftig gegen diese Ehe gesträubt hatte.
Meine Eltern waren überglücklich, als sie von unserem bevorstehenden Kindersegen erfuhren, Mutter stellte sofort eine zweite Magd für mich ein - und entlohnte sie auch, denn noch floß das Geld bei uns nicht in Strömen. Noch immer zahlte mein Schwiegervater Regenzo an den Krediten ab, die er für die Byzanzfahrt aufgenommen hatte, und Gottschalk half ihm dabei, so sehr er konnte. Mein schüchternes Angebot, ihm mit meiner Mitgift auszuhelfen, rief bei Gottschalk einen Zornesausbruch hervor, und so beschränkte ich mich darauf, stillschweigend die gesamten Kosten des Haushalts zu tragen - was mir mit meinem eigenen Verdienst gerade so gelang, wenn ich die Mitgift nicht antasten wollte.
Im Laufe des Frühjahrs war ich oft sehr müde. Mutter merkte es und sorgte dafür, daß ich mich genügend ausruhen konnte, indem sie unauffällig die Oberaufsicht in meinem Haushalt führte und mir viele Besuche bei meinen Goldspinnerinnen und anderen Lieferantinnen abnahm. Ich schämte mich, denn Mutter war inzwischen eine alte Frau - aber sie wirkte noch immer sehr frisch, die Haut noch fast so glatt wie früher, das graue Haar stand ihr gut, und sie bewegte sich rasch und anmutig wie eh und je. Als ich einmal einen Einwand wagte, tat sie ihn herzlich ab.
»Wenn du wüßtest, wie sehr ich mich auf dein Kindchen freue, da kann es mir doch nicht zuviel sein, dich ein wenig zu entlasten. Übrigens, du kommst mir schon sehr stark vor - kann es sein, daß du dich verrechnet hast und der Geburt schon näher bist als vermutet?«
Nein, ich war mir sicher.
»Ja, dann wollen wir doch einmal die Hebamme befragen«, entschied Mutter. Die Hebamme untersuchte mich gründlich und teilte uns dann mit, ich erwarte offensichtlich Zwillinge. Das erschreckte mich, denn ich wußte, daß dies oft den Tod der Kinder oder auch der Mutter bedeutete. Meine Eltern verlangten nun entschieden, daß ich mich jeglicher Arbeit enthalten sollte. Im Haushalt durfte ich schon gar nichts tun, höchstens an der Kleidung für meine Kinder sticheln, und meinen Handel nahm Mutter nun ganz und gar in die Hand. Auch sonst zeigte sich meine ganze große Familie sehr besorgt um mich - wir hatten nicht vergessen, daß Vetter Helperichs Frau vor Jahren im Zuge einer schweren Geburt Zwillinge geboren hatte, von denen nur ein Kind überlebt hatte, und sie war niemals wieder schwanger geworden. Sogar Großvater fand täglich einen Grund, bei mir hereinzuschauen. Wenn ich auch diesen Strom von Fürsorge, der sich da über mich ergoß, zu schätzen wußte, so ging mir dieses Übermaß doch auch auf die Nerven.
Im Sommer war es dann soweit. Ich pflückte mir gerade im Garten meiner Eltern ein paar späte Kirschen, als ein stechender Schmerz durch meinen Leib fuhr. Ich hatte noch nicht
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