Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
Vom Netzwerk:
Eure Majestät, ich möchte nicht unverschämt erscheinen, aber war Eure verstorbene Tante, Mary von Suffolk, nicht auch als die Tudor-Rose bekannt?«
    Sie musterte mich mit jenem eindringlichen Blick, der, wie ich jetzt wusste, anders als bei Elizabeth weniger von angeborenem Scharfsinn herrührte, sondern vielmehr von Misstrauen, das nach langen Jahren in einem Klima des Verrats ihre Gutmütigkeit verdrängt hatte. Nach reiflichem Überlegen nickte sie. »Es ist nicht allgemein bekannt, aber ja, sie wurde im Kreis unserer Familie tatsächlich so genannt. Wie habt Ihr davon erfahren?«
    Plötzlich hatte ich einen Kloß im Hals. Nervös benetzte ich mir die Lippen. Sie fühlten sich an wie Pergament. »Ich habe es einmal am Hof gehört. Müßiges Gerede.«
    »Gerede, sagt Ihr? Nun ja, meine Tante Mary plauderte in der Tat gern und viel.« Sie verstummte, und ihr Blick richtete sich in die Ferne. »Ich wurde nach ihr getauft. Sie war wie ein Engel, sowohl dem Aussehen nach als auch im Herzen. Ich betete sie an. Mein Vater ebenso. Er war es, der sie die Rose nannte.«
    Plötzliche Trauer schnürte mir die Brust zu. Ein wunderschöner Engel, innerlich wie äußerlich …
    »Dieses Interesse an unserer Geschichte«, fuhr Mary fort, »ist es für jemanden von Eurem Stand nicht ungewöhnlich?«
    Obwohl ich mich immer noch am Rande eines Abgrunds sah, ging mir die Lüge flott über die Lippen, als hätte ich mich schon Tausende von Malen darin geübt. »Die Begeisterung eines Liebhabers, Eure Majestät. Der Stammbaum von Königshäusern ist ein Steckenpferd von mir.«
    Sie schenkte mir ein warmes Lächeln. »Das kann ich nur begrüßen. Bitte fahrt fort.«
    »Ich weiß natürlich von der überlebenden Tochter der verstorbenen Herzogin.« Auf einmal kam ich mir vor, als stünde ich neben mir und lauschte einem Fremden. »Bekam sie jemals auch einen Sohn?«
    »Allerdings. Sie bekam sogar zwei. Beide erhielten den Namen Henry. Einer starb 1522, der andere 1534, ein Jahr nach ihr. Es war eine Tragödie für seinen Vater. Nur wenige Jahre später verlor Suffolk die Söhne aus seiner zweiten Ehe, ehe er selbst 1545 starb.«
    »Woran sind diese anderen Söhne gestorben?«, fragte ich, während mir ein eisiger Schauer über den Rücken kroch.
    Sie überlegte. »Am Schweißfieber, glaube ich. Aber Kinder sind ja für so vieles anfällig.« Sie seufzte. »Wenn ich mich richtig erinnere, hat meine Cousine ihr dabei geholfen, sie zu pflegen, als sie krank wurden. Sie selbst hatte das Schweißfieber gehabt und überstanden, konnte sich also nicht mehr anstecken. Der Tod der beiden muss sie schwer getroffen haben. Die eigenen Brüder zu verlieren ist eine schreckliche Bürde.«
    Ich unterdrückte ein bitteres Auflachen. Sämtliche männlichen Erben der Suffolks waren im Kindesalter gestorben. Auf diese Weise also hatte die Herzogin Titel und Vermögen geerbt! Und alle glaubten, dass das Zufall war?
    »Und Mary Suffolk?«, fragte ich. Ich musste einfach über ihr Schicksal Bescheid wissen, brauchte Gewissheit, gleichgültig, wie schmerzhaft diese für mich sein würde. »Wie ist sie gestorben?«
    »An irgendeinem Fieber. Mir wurde gesagt, dass sie schon einige Zeit krank gewesen war … Schwellungen und noch andere Leiden. Sie wurde nicht alt. Bei ihrem Tod war sie etwa so alt wie ich heute. Wir hatten uns lange nicht mehr gesehen. Ihr gefielen die Umstände nicht, unter denen mein Vater am Ende hatte leben wollen, und sie zog sich vom Hof auf ihr Gut in East Anglia zurück.« Ihre Züge strafften sich. »Nur wenige haben sich die Zeit genommen, um sie zu trauern. Es war im Juni. Alle warteten darauf, was bei der Schwangerschaft dieser Boleyn herauskommen würde.«
    Sie verstummte. Auch wenn sie nicht darüber sprach, war ihr anzumerken, dass sie mit sich kämpfte. Hier also lag die Wurzel der Zwietracht zwischen ihr und ihrer jüngeren Schwester.
    Nach einer Weile fuhr sie fort: »Ich erinnere mich deswegen noch an die Einzelheiten, weil ein paar Wochen nach Charles von Suffolks Beerdigung sein Haushofmeister zu mir kam. Ein strammer Mann – sehr anständig. Er hatte eine schreckliche Narbe von der Schläfe bis hinunter zur Wange. Ich fragte ihn, was es damit auf sich hatte. Er sagte, er hätte in den schottischen Kriegen gedient. Armer Mann. Der Tod seines Herrn schien ihn schwer getroffen zu haben. Aber was ich am lebhaftesten in Erinnerung behalten habe, ist ein Schmuckstück, das er mir brachte. Mary hatte es mir offenbar in ihrem

Weitere Kostenlose Bücher