Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
am ganzen Körper, wirkte aber ansonsten entspannt, ja erleichtert. Er packte meine Hand mit festem Griff.
»Master Beecham! Fast hätte ich Euren Namen nicht wiedererkannt. Ihr habt Glück, dass meine Freunde mich daran erinnert haben. Überlasst Euer Pferd den Stallburschen, und folgt mir. Ihre Majestät möchte Euch sehen.«
Als ich an Rochester vorbei zu den Arbeitern blickte, lachte ich befreit. Dort waren auch Barnaby und Peregrine, beide mit nacktem Oberkörper und völlig verdreckt. Sie winkten mir zu, ehe sie sich wieder der kräftezehrenden Aufgabe zuwandten, eine Kanone zur Reparatur in eine Schmiede zu schieben. Ich wandte mich wieder Rochester zu.
»Ich bin froh, Euch alle wohlbehalten anzutreffen!«, rief dieser aufrichtig erleichtert. »Wir schulden Euch so viel. Nachdem wir uns aufgeteilt hatten, haben Robert Dudleys Männer die anderen meilenweit verfolgt, bis er schließlich seinen Fehler bemerkt hat und uns hinterhergeritten ist. Gott sei’s gepriesen, dass er inzwischen gefasst worden ist.«
Ich erstarrte. »Gefasst?«
»Ja. Aber das könnt Ihr natürlich nicht wissen.« Rochester lotste mich zu einem nicht zu seiner Umgebung passenden Ziegelhaus im Schatten der Burg, das von zwei Holzhütten flankiert war. »Als ihm klar wurde, wohin wir unterwegs waren, hat Lord Robert offenbar beschlossen, Verstärkung zu holen. Er muss angenommen haben, dass wir keine Möglichkeit haben würden, die Burg zu verteidigen, wenn er zurückkehrte, um sie zu belagern.« Er lachte. »Wir hatten ehrlich gesagt nicht gedacht, dass der Sohn des alten Norfolk hier mit seinen Soldaten auf uns warten würde. Aber er war tatsächlich schon da, und bis Einbruch der Nacht sind noch einmal fünftausend Männer eingetroffen. Die Nachricht von der Notlage Ihrer Majestät hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet, und es ist überall zu den Waffen gerufen worden. Aus ganz England strömen jetzt Männer herbei. Es ist, als würde Gott über sie wachen.«
»Allerdings«, bestätigte ich leise. »Und was sagtet Ihr über Lord Robert?« Während ich redete, dachte ich an Elizabeth, wie sie in jenem geheimen Zimmer gestanden hatte. Ich will nicht, dass ihm ein Leid geschieht , hatte sie gesagt. Und zu meinem größten Befremden stellte ich auf einmal fest, dass ich genauso empfand. Vielleicht, weil er einem Bruder, den ich nie gehabt hatte, noch am nächsten kam; oder vielleicht hatte sie recht damit, dass Robert, ein Dudley von Schrot und Korn, einfach ein Opfer seiner Erziehung war.
»Er hat es noch bis King’s Lynn geschafft«, erklärte Rochester. »Aber mittlerweile war schon eine Reihe seiner Begleiter von ihm abgefallen. Und dann sind auch noch seine Soldaten desertiert. So blieb ihm nur noch die Flucht. Er hat in Bury Saint Edmunds Unterschlupf gesucht und einen verzweifelten Hilferuf nach London geschickt. Sein Bote konnte entkommen, er nicht. Baron Derby hat ihn kurz danach im Namen der Königin verhaftet. Geschieht ihm recht, könnte man sagen. Er ist jetzt in der Ruine derjenigen Abtei eingesperrt worden, bei deren Zerstörung sein Vater geholfen hat.«
»Und was … wird nun aus ihm?«
Rochester schnaubte. »Über sein Schicksal wird Ihre Majestät entscheiden, sobald sie den Thron bestiegen hat. Beneidenswert wird es nicht gerade sein, denke ich. Im besten Fall eine Zelle im Tower für den Rest seiner Tage; im schlimmsten die Axt – zusammen mit dem Rest seiner verräterischen Sippe. Ich persönlich bin für die Axt. Ah, aber Ihre Majestät wird sich freuen, Euch zu sehen. Sie hat sich schon mehrfach nach Euch erkundigt.«
Mein kurzes Hochgefühl fiel in sich zusammen. Ich hätte wie Rochester über diesen Schlag gegen die Dudleys jubeln sollen, denn ohne Robert wurde es umso schwerer, Mary zu verhaften; doch stattdessen senkte sich bleierne Müdigkeit über mich. Nichts wünschte ich mir mehr als ein heißes Bad, eine Pritsche und völlige Abgeschiedenheit von der Welt – wenigstens für eine Weile.
Was ich mir nicht wünschte, war, mir überlegen zu müssen, wie ich Elizabeth davon in Kenntnis setzen sollte.
Wir traten in das Hauptgebäude und erklommen eine Treppe zu einem schlichten Saal. Dort erwartete uns Mary. Sie trug einen schwarzen Umhang und einen hohen Kopfschmuck, der für ihre schmalen Schultern viel zu schwer wirkte, sie jedoch nicht weiter zu stören schien. Bei unserem Eintreten schritt sie hin und her und diktierte mit strenger Stimme einem gehetzt wirkenden Sekretär, dessen Feder zwar
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