Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
hinter diesem Wirrwarr aus Halbwahrheiten und Lügen, als ich vermutet hatte.
»Und woher weißt du so gut Bescheid?«, fragte ich leise.
»Woher schon? Master Cecil hat es mir gesagt. Er hat mich kurz nach Edwards erstem Zusammenbruch angesprochen. Er meinte, der König und ich wären wie Brüder, und darum würde ich seine Sorge verstehen.«
Schon wieder schnürte sich mir der Magen zusammen. »Sorge in Bezug worauf?«
»Dass der Herzog das Ziel verfolgt, seine eigene Macht zu sichern, ohne Rücksicht auf Edwards Wünsche.« Er setzte sich auf den Hocker in der Mitte des Zimmers. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, betrachtete er mich nachdenklich.
»Edward war schon seit drei Jahren krank. Er wurde immer magerer, litt unter Fieberanfällen … Ihm war klar, dass er nicht lange genug leben würde, um zu heiraten und einen Erben zu zeugen. Aufgrund des Erbfolgerechts war Mary die nächste Thronanwärterin. Aber weil Edward gegen jede Annäherung an Rom war, lud er Mary an den Hof ein, um ihr erst einmal auf den Zahn zu fühlen. Als sie sich weigerte, den reformierten Glauben anzuerkennen, war er davon überzeugt, dass sie die Krone nicht verdiente. Laut Cecil beschloss er daraufhin, Mary zugunsten von Elizabeth zu enterben. Also bat er ihn, die nötigen Dokumente aufzusetzen, damit er seine Entscheidung dem Kronrat vorlegen konnte. Doch dann bekam er einen schrecklichen Hautausschlag und wurde bald darauf schwerkrank. Von da an kümmerte sich der Herzog allein um seine Pflege, und kein Mitglied des Kronrats bekam ihn mehr lebend zu sehen.«
»Moment mal.« Ich hatte das Gefühl, dass sich zu viele, nicht passende Teile eines Bildes zu einem totalen Chaos zusammenfügten. »Edward wollte seine Entscheidung dem Kronrat vorstellen, ohne den Herzog vorher einzuweihen? Warum? Northumberland hatte doch sicher dieselben Bedenken bezüglich Mary. Warum dann die Heimlichtuerei?«
Barnaby zuckte mit den Schultern. »Edward konnte verschwiegen sein, wenn es die Situation erforderte. Und wenn er sich einmal gegen jemanden entschieden hatte, überlegte er es sich nur selten anders. Ich glaube, er verlor alles Wohlwollen für den Herzog, als ihm bewusst wurde, in welchem Ausmaß Northumberland ihn unter seiner Kontrolle hatte. Nach seinem Zusammenbruch durfte jedenfalls niemand mehr ohne Erlaubnis des Herzogs zu ihm, auch Cecil nicht.«
»Und genau zu diesem Zeitpunkt suchte Cecil dich auf, richtig?« Wäre ich nicht so empört gewesen, hätte ich diese Unverfrorenheit sogar bewundert. Unser Master Secretary war noch viel emsiger gewesen, als wir uns das vorgestellt hatten.
»Ja, richtig.« Barnaby wirkte plötzlich verwirrt. »Er sagte, er hätte die Befürchtung, der Herzog könnte den Tod des Königs beschleunigen und jeden bedrohen, der Anstalten machte, ihn zu entlarven.«
»Und du hast ihm geglaubt.« Während ich das sagte, erstand vor meinem inneren Auge wieder die schmucke Gestalt mit der gepflegten Stimme, die große Aufrichtigkeit ausstrahlte.
»Ich hatte keinen Grund, daran zu zweifeln.« Barnaby breitete seine Hände aus. »Cecil wollte, dass ich über den König wachte und ihm auffällige Ereignisse meldete. Er wusste nicht, dass der Herzog mich entlassen würde. Ich hielt trotzdem Wache, vor allem, nachdem ich entdeckt hatte, dass Northumberland auch Edwards Ärzte hinausgeworfen hatte.«
Auf einmal konnte ich kaum noch atmen.
Barnaby war noch nicht fertig. Nun klang seine Stimme belegt. »So, wie du dich verhältst, könnte man meinen, dass du in dieser Sache völlig ahnungslos bist. Andererseits arbeitest du für Cecil. Als du Ihrer Hoheit geholfen hast, warst du in seinem Auftrag tätig. So hat es mir Peregrine erzählt. Das ist auch der Grund, warum ich mich bereit erklärt habe, dir zu helfen.«
Ich entfernte mich vom Fenster. Ich fühlte mich kalt, benommen. »Halbwahrheiten und Auslassungen«, krächzte ich, »das ist seine Methode.« Ich blickte zu ihm auf. »Er wusste von Anfang an über alles Bescheid.«
Barnaby starrte mich verständnislos an. »Wer?«
»Cecil. Er wusste genau, was mit Edward gemacht wurde.«
»Er wusste , was die Dudleys ihm antaten?«
»Ich glaube, ja.« Unversöhnlicher Hass stieg in mir auf. »Ohne Edward als seinen Beschützer steht Cecil allein da. Und wenn der Herzog mit seinen Intrigen Erfolg hätte, würde er das nicht überleben. Er weiß zu viel, und Northumberland ist zu mächtig geworden. Selbst wenn ein einzelner Mörder den Mann aus dem Weg räumt,
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