Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Er stand, die Arme vor der Brust verschränkt, vor dem Fenster und starrte hinaus. »Hat das Treffen, zu dem du wolltest, stattgefunden?«, erkundigte er sich, ohne sich zu mir umzusehen.
»Ja. Ich habe deinen Bogen zurückgebracht.« Ich zögerte. »Wo ist Peregrine?«
»Schläft tief und fest. Hat gegessen wie ein halb Verhungerter und ist dann umgefallen wie ein Stein. Aber komm, sieh dir das an.«
Ich zog meine Kniehose hoch und tapste barfuß zum Fenster. Ein indigofarbener Himmel wölbte sich über der Burg. Über Nacht hatte man im Hof einen Altar improvisiert, drapiert mit ausgebleichten karmesinroten Stoffen, die mit fadenscheinigen goldenen Kreuzen bestickt waren. Davor stand eine in einen weißen Umhang gehüllte Gestalt, die einen Hostienkelch in die Höhe hielt. Um den Altar herum waren Wachskerzen aufgestellt, deren flackernde Flammen die gen Himmel erhobenen Gesichter der Männer und Frauen zum Leuchten brachten. Aus Weihrauchgefäßen strömte ein betörender Geruch. Der Refrain eines Kirchenlieds stieg aus den Kehlen eines Kinderchors empor, der sich auf einem Bretterverschlag postiert hatte.
Mary saß auf einem Stuhl, einen Granatrosenkranz um die Hände geschlungen. Die roten Perlen fingen das Kerzenlicht auf und versprengten es Blutstropfen gleich über ihr Kleid.
»Bei Gott, sie ist sich ihres Sieges wirklich gewiss«, murmelte Barnaby. »Uns bleibt nur die Hoffnung, dass das alles ist, was sie uns mit ihren papistischen Riten erleiden lässt.«
Verzaubert von der gespenstischen Fremdartigkeit dieser Szene, antwortete ich: »Das ist das erste Mal, dass ich die alten Traditionen sehe. Ich finde sie ehrlich gesagt sehr schön.«
»Du vielleicht. Für diejenigen, die in Frankreich und Spanien die Häretiker auf den Scheiterhaufen haben brennen sehen, ist das kein so erhebender Anblick.«
Barnaby kehrte ins Innere des Zimmers zurück. Da ich das Gespräch unbedingt fortsetzen wollte, hatte ich keine andere Wahl, als mich umzudrehen und ihm dabei zuzusehen, wie er hin und her marschierte.
»Das gefällt mir nicht«, brummte er. »Ich will ihr als meiner Königin Ehre erweisen, aber schon jetzt macht sie ihre Drohung wahr und schleppt Altäre an und verbrennt Weihrauch. In der Nacht ist die Meldung eingetroffen, dass der Herzog eine Armee gegen sie aufstellt. Wenn er scheitert, ist ihr Weg zum Thron frei.«
»So sollte es doch auch sein«, entgegnete ich. »Schließlich ist es ihr Thron.«
»Das weiß ich ja. Aber was, wenn …?« Er schielte zur Tür hinüber und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Was, wenn wir uns getäuscht haben? Was, wenn ihre Hinwendung zu Rom stärker ist als ihre Verpflichtung England gegenüber? Gerade vor dieser Möglichkeit hat Edward am meisten gegraut. Er wollte die Erbfolge deswegen ändern, weil er glaubte, dass sie uns wieder Aberglauben und Bilderverehrung bescheren und all das über den Haufen werfen würde, was sein Vater und er versucht haben aufzubauen.«
Ich runzelte verwirrt die Stirn. »In der Nacht, als wir beim König in seinen Gemächern waren, hat Philip Sidney sich ebenfalls dazu geäußert. Aber er hat gemeint, Edward wäre dazu gezwungen worden, etwas zu unterschreiben. Und heute früh hat mir Ihre Majestät erzählt, der Kronrat hätte sie wegen Zweifeln an ihrer Legitimität für enterbt erklärt.« Ich blickte ihn eindringlich an. »Was weißt du, das du mir bisher verschwiegen hast?«
Er zögerte nicht eine Sekunde. »Die Zweifel an ihrer Legitimität waren eine Ausrede. In Wahrheit hielt Edward Mary keineswegs für unehelich. In seinen Augen waren alle sechs Ehen seines Vaters vollkommen gültig. Aber er glaubte trotzdem nicht, dass sie Königin werden sollte. Als er den Zusatz zu seinem Testament schrieb, der ihr den Thron vorenthielt, wusste er genau, was er tat. Ich dachte, du wärst längst im Bilde.«
»Nein.« Was für eine unerwartete Wendung! Meine Gedanken überschlugen sich. »Ich habe geglaubt, der Herzog hätte Edward zur Unterschrift gezwungen, damit er dann Jane Grey als Erbin benennen kann. Willst du sagen, Edward hätte seine eigenen Pläne gehabt, bevor er krank wurde?«
»Allerdings. Es war sein Wunsch, dass Elizabeth das Land regierte. Das wollte er ihr persönlich sagen. Das ist der wahre Grund, warum Northumberland solche Anstrengungen unternahm, ihr den Besuch zu verwehren. Er wollte verhindern, dass Edward und sie einen Plan gegen ihn ausheckten.«
Mit einem Schlag ergab alles einen Sinn. Es steckte mehr
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