Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
»Ich habe ein Gespräch zwischen Lady Dudley und Robert belauscht«, teilte ich ihm in unpersönlichem Ton mit. »Seine Lordschaft wird Robert entsenden, damit er Lady Mary ergreift. Außerdem hat er Roberts Bitte abgeschlagen, Ihre Hoheit zu treffen und ihr seinen, wie er das nennt, ›Vorschlag‹ zu unterbreiten. Ihr solltet Cecil sagen, dass der Herzog vielleicht eine ganz andere Absicht verfolgt als diejenige, die wir vermuten.«
Ich verstummte. Walsingham gab immer noch keine Regung preis.
»Da drängt sich der Schluss auf, dass es sich um etwas handeln muss, von dem sein Sohn nichts erfahren soll«, fuhr ich fort. »Warum würde er Robert sonst wegschicken?«
Walsingham schwieg.
»Habt Ihr gehört? Was immer der Herzog plant, es kann nicht gut für die Prinzessin sein. Ihr habt mir gerade erklärt, dass Erfolg von zügigem Handeln abhängt. Jetzt haben wir die Chance dazu. Wir sollten Ihre Hoheit, sobald wir können, möglichst weit von den Dudleys fortschaffen.«
Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gedacht, ihm wäre das vollkommen gleichgültig. Dann sah ich in seinen verhüllten Augen ein verstohlenes Glimmen. Fast unmerklich spannte er die Lippen an. Was ich ihm berichtet hatte, war wichtig, und er wollte nicht, dass ich das wusste.
»Ich werde Eure Sorgen weitergeben«, sagte er schließlich. »Doch zuvor muss dieser Brief überbracht werden, damit Euer Herr keinen Verdacht schöpft. Sobald Ihr Euren Auftrag ausgeführt habt, kehrt Ihr zu Lord Robert zurück. Falls Eure Dienste noch einmal benötigt werden, werdet Ihr davon in Kenntnis gesetzt.«
Ich starrte ihn entgeistert an. »Und was ist mit Ihrer Hoheit? Wollt Ihr sie nicht warnen?«
»Damit braucht Ihr Euch nicht zu befassen. Ihr habt lediglich Eure Befehle zu befolgen.«
Zu meinem fassungslosen Entsetzen wandte er sich zur Tür. »Wenn Ihr sie nicht warnt, tue ich das!«, platzte ich heraus.
Er drehte sich um, musterte mich aus halb zusammengekniffenen Augen. »Wollt Ihr mir drohen? Wenn das wirklich so ist, dann lasst Euch daran erinnern, dass Junker, die ihr Wissen über ihre Herren weitertragen, nicht unersetzlich sind.«
Ich hielt seinem Blick stand, bis ich schließlich den Brief wieder unter mein Wams steckte. Plötzlich ertönte ein dumpfes Geräusch zu meinen Füßen.
»Für Eure Dienste«, sagte Walsingham. »Ich schlage vor, dass Ihr es umsichtig verwendet. Diener, die unredlich erworbenen Wohlstand verprassen, enden genauso oft auf dem Grund von Flüssen wie untreue Junker.« Ohne jedes weitere Wort ließ er mich stehen. Ich wollte das Säckchen, das er auf den Boden geworfen hatte, nicht anrühren, steckte es dann aber doch ein, ohne seinen Inhalt zu untersuchen.
Verstohlen huschte ich zur Tür hinaus. Von Walsingham fehlte jede Spur. So bog ich wieder in den Gang ein und ging weiter zur Treppe.
Falls ich zuvor noch Zweifel gehabt hatte, stand meine Entscheidung jetzt fest. Ich musste die Prinzessin warnen. Robert war nicht zu trauen, und allmählich beschlich mich das Gefühl, dass dasselbe auch für alle anderen galt. Das Säckchen, das ich bei mir trug, mochte klein sein, enthielt aber sicher genug, um mein Schweigen zu erkaufen. Walsingham war Cecils Geschöpf, und ich hatte keine Ahnung, welchen Zweck der Sekretär letztlich verfolgte. Wie ich mehr und mehr vermutete, war diese Angelegenheit vielschichtiger, als man mich hatte glauben lassen. Allerdings fiel mir die Vorstellung schwer, Cecil würde der Prinzessin etwas antun. Doch vielleicht spielte Walsingham mit gezinkten Karten. Ihm traute ich das durchaus zu. Aber wie konnte ich an Elizabeth herankommen? Würde sie mich überhaupt empfangen? Nun gut, sagte ich mir, wenn ich einfach stur blieb und mich nicht abwimmeln ließ, würde ihr nichts anderes übrig bleiben.
Entschlossen stapfte ich die Treppe hinauf.
Vor mir erstreckte sich eine Galerie, an deren Ende ein mächtiges, von geschnitzten Cherubinen geschmücktes Tor aufragte. Rechts von mir wachten Schießscharten über einen Garten. Die Butzenscheiben darüber wiesen genug Risse auf, um den Nachmittagswind hereinzulassen.
Auf halbem Weg zum Tor standen drei Wächter in der Uniform des Königshauses.
Ich kannte sie nicht. Auch hatte ich keine Zeit, näher hinzusehen, denn als ich zögernd den ersten Schritt auf sie zu wagte, vernahm ich in meinem Rücken eine Stimme. »Beim heiligen Kreuz, wo willst du denn jetzt schon wieder hin?« Eine vertraute Gestalt rauschte mir entgegen und hielt mir
Weitere Kostenlose Bücher