Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
drohend den Zeigefinger vor das Gesicht.
Es war Elizabeths Dienerin, die junge Frau, die ich schon im Whitehall-Palast gesehen hatte – Kate Stafford.
»Habe ich dir nicht gesagt, dass in diesem Flügel keine Küchen sind, du Dummkopf?«, bellte sie. Aus der Nähe war zu erkennen, welche lebhafte Intelligenz aus ihren braunen Augen sprach, die ihr sorgloses Gebaren Lügen strafte. Und sie verströmte einen betörenden Duft nach frischen Äpfeln und Federnelken. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weglaufen sollte, bis ich die Warnung in ihrem Blick bemerkte.
»Mylady, vergebt mir«, stammelte ich. »Ich habe mich schon wieder verirrt.«
»Verirrt?« Sie fuhr zu einem Mann herum, der sich ihr von hinten näherte. »Pferde können sich verirren, aber nur Maulesel kehren immer wieder in denselben leeren Stall zurück. Seid Ihr nicht auch dieser Meinung, Master Stokes?«
»O ja.« Master Stokes war von mittelgroßer, schlanker Statur. Sein Gesicht wirkte zu verschlagen, als dass man es schön hätte nennen können, wies aber elegant geschwungene Wangenknochen auf, die von dem nach hinten gekämmten, hellbraunen Haar betont wurden. An seinen Fingern prangten mehrere mit Juwelen besetzte Ringe; von seinem linken Ohr baumelte ein glitzernder Rubinanhänger herab. Letzterer zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Noch nie hatte ich einen Mann Ohrringe tragen sehen, auch wenn ich später erfahren sollte, dass das im Ausland als modisch galt.
»Apropos Esel, will dieser Knecht Euch belästigen?«, fragte Stokes träge. »Soll ich ihn lehren, unsere schönen Damen in Ruhe zu lassen, Mistress Stafford?«
Stokes’ unverschämter Blick senkte sich auf Kates Dekolleté. Sie wedelte mit der Hand, während ein zwitscherndes Lachen über ihre Lippen perlte. »Er und mich belästigen? Wohl kaum. Er ist ja nur ein Diener und völlig neu am Hof. Anscheinend glaubt er, dass wir die Küche unter dem Federbett Ihrer Hoheit eingerichtet haben!«
Er antwortete mit einem ebenso hohen, fast weiblichen Lachen. »Wenn das ihre Kopfschmerzen heilt!«, kicherte er. »Was nun unseren Maulesel betrifft …« Sein Blick wanderte über ihren Kopf hinweg zu mir. »Vielleicht kann ich ihn auf den richtigen Weg bringen.«
Obwohl Mistress Stafford mit dem Rücken zu mir stand, konnte ich mir lebhaft vorstellen, wie sie verführerisch mit den Wimpern flatterte. »Wieso Eure Zeit mit einem billigen Helfer vergeuden? Lasst mich den Jungen zurück zur Treppe führen. Ich bin gleich wieder bei Euch.«
»Wenn Ihr es mir versprecht«, brummte Stokes. Ohne ersichtlichen Grund flößte mir der Finger, mit dem er ihr über die entblößte Kehle fuhr, Grauen ein.
Im nächsten Moment drehte sich der Mann auf den Absätzen seiner eleganten Stiefel um und kehrte zu den anderen Männern zurück, die feixend dastanden, während Kate Stafford sich bei mir einhängte und mich zurück zur Galerie zog.
Sobald wir außer Sicht waren, zerrte sie mich in einen Fenstererker. Mit einem Schlag verschwand aller Anschein von nachsichtiger Koketterie. »Was bedeutet Euer Gebaren?«
Da sie ihre Maske abgelegt hatte, sah ich keinen Grund mehr, ihrem Beispiel nicht zu folgen. »Ich war auf dem Weg zu Ihrer Hoheit. Ich bringe ihr eine wichtige Nachricht, die sie sofort hören muss.«
Sie streckte die Hand aus. »Gebt mir das Schreiben, wer immer Ihr seid.«
»Ihr wisst, wer ich bin.« Ich stockte. »Ich habe nicht gesagt, dass ich ein Schreiben habe.«
Sie trat näher, und ihr Apfelblütenduft stieg mir verlockend in die Nase. »Ich nahm an, Ihr hättet eines dabei. Schließlich seid Ihr Lord Roberts Junker.«
»Ah, Ihr erinnert Euch also an mich!« Ich beugte mich vor, sodass wir uns fast mit den Nasen berührten. »Ich brauche Euch wohl nicht daran zu erinnern, dass auch Ihr eine Antwort auf das Schreiben erwarten müsst, das Ihr soeben überbracht habt.«
Sie prallte zurück. »Ich verstehe kein Wort.«
»Ach? Das wart vorhin nicht Ihr in den Gemächern meines Herrn? Gibt es am Hof noch eine andere Dame, die Stiefel unter ihrem Umhang trägt?«
Sie erstarrte. Lächelnd sah ich zu, wie sie den verräterischen Fuß unter den Saum ihres Kleides zog.
»Ich habe hinter dem Vorhang gestanden«, klärte ich sie auf. »Und jetzt muss ich die Antwort meines Herrn überbringen.« Ich machte Anstalten, mich abzuwenden. Erneut ergriff sie mich am Arm. Dabei bewies sie für eine so zierliche Frau erstaunlich viel Kraft.
»Seid Ihr verrückt?«, zischte sie. »Ihr dürft nicht in
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