Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
sich. Kate erstarrte. Wir hatten keine Zeit, uns zu verbergen, noch gab es hier ein Versteck. Ohne Vorwarnung warf sie sich mir an den Hals, umfasste mich am Kopf und presste ihre Lippen auf die meinen. Ich schaffte es gerade noch, die Schemen der vorbeilaufenden Gestalt und der drei Männer wahrzunehmen, die ihr folgten. Keiner blieb stehen oder gab einen Kommentar zu unserem Treiben ab.
Einen lähmenden Augenblick lang dachte ich, ich hätte mir die Männer nur eingebildet.
Kate Stafford schmiegte sich an mich, und dann spürte ich ihren Atem an meinem Mund. »Nicht bewegen«, flüsterte sie.
Ich gehorchte. Erst als die Echos der Stiefel verhallt waren, löste sie sich von mir. »Er hat sie verlassen. Ich muss gehen.« Sie zögerte. Mit ernster Miene fügte sie hinzu: »Ihr dürft niemandem ein Wort davon sagen. Nicht einmal Cecil. Wenn Ihr das tut, bringt Ihr sie in noch größere Gefahr, als sie es ohnehin schon ist.«
Ich hatte es mir also nicht eingebildet. »Das war der Herzog. Er war bei ihr. Warum? Was will er?«
»Das weiß ich nicht. Er ist vor Euch eingetroffen und hat Einlass verlangt. Sie ruhte gerade auf ihrem Bett. Sie hat ihn dann in ihren Audienzraum gebeten und uns alle weggeschickt.«
Was Kate da sagte, gefiel mir nicht. »Dann muss ich mit ihr sprechen.«
»Nein, das ist nicht sicher. Er könnte zurückkommen; jemand könnte Euch sehen. Das dürfen wir nicht riskieren. Wir dürfen uns nicht offen zeigen. Wenn irgendjemand das erfährt …«
»Erfährt?« Fast hätte ich das Wort geschrien. » Was erfährt? Was, zum Teufel, wird hier gespielt?«
»Beizeiten werdet Ihr alles herausfinden. Jetzt muss ich gehen.«
Sie wandte sich ab. Ich folgte ihr bis zur nächsten Ecke. Als sie die Galerie betreten wollte, fasste ich sie an die Schulter. »Richtet ihr Folgendes aus: Sagt ihr, dass ein Komplott zur Verhaftung ihrer Schwester im Gange ist. Sie darf meinen Herrn nicht treffen. Sie muss diesen Ort verlassen, bevor es zu spät ist.«
Über den Gang hallte es laut: »Kate? Kate, bist du hier?«
Die Stimme ließ uns erstarren. Kate stieß mich fort vom Eingang, aber ich konnte noch Elizabeths Silhouette erkennen. Ihr Haar war offen, und mit einer Hand hielt sie sich den Kragen ihres purpurnen Umhangs zu. »Kate!«, rief sie erneut. Ich hörte die Angst in ihrer Stimme.
»Ich bin hier, Eure Hoheit! Ich komme schon!«, antwortete Kate.
»Beeil dich«, drängte die Prinzessin mit zitternder Stimme. »Ich brauche dich.«
Kate setzte sich in Bewegung. Obwohl ich jetzt die ideale Gelegenheit gehabt hätte, vor Elizabeth zu treten, hielt mich irgendetwas zurück. »Werdet Ihr es ihr sagen?«, fragte ich leise.
»Sie wird nicht auf mich hören.« Kate hielt meinem Blick stand. »Sie liebt ihn, versteht Ihr? Sie hat ihn schon immer geliebt. Was wir auch sagen, nichts wird sie aufhalten.« Sie lächelte. »Galanter Junker, wenn Ihr ihr wirklich helfen wollt, dann findet Euch heute Nacht zusammen mit Eurem Herrn im Pavillon ein.«
Sie ließ mich fassungslos zurück.
Ich wollte es nicht glauben, obwohl es in jeder Hinsicht Sinn ergab. Das also war der Grund, warum sie trotz aller warnenden Hinweise immer noch am Hof blieb.
Sie liebte ihn. Elizabeth liebte Robert Dudley.
15
Bevor ich zu Lord Robert zurückkehren konnte, benötigte ich Zeit, um meine wirren Gedanken zu sortieren. Im Palast von Greenwich herrschte gespenstische Ruhe. Außer Dienern, die ihren Aufgaben nachgingen, war niemand zu sehen. Keiner erwiderte meinen matten Gruß, als ich durch das Labyrinth der Korridore wanderte. Es hatte den Anschein, als hätten sich die Höflinge allesamt in ihre Gemächer zurückgezogen oder schlenderten durch den Palastpark.
Ich trieb durch eine schattenhafte Welt.
Und geriet ins Grübeln. Elizabeth, hielt ich mir vor, mochte zwar die Tochter eines Königs sein, war aber dennoch ein Mensch aus Fleisch und Blut. Auch sie war fehlbar. Sie kannte Robert nicht so gut wie ich, sah nicht die Tiefen der Habgier noch den Ehrgeiz, der sein Herz beherrschte. Andererseits hatte sie genau das vor mir zugegeben. Erst gestern Abend hatte sie mir in Whitehall gesagt, dass sie nie Grund gehabt hatte, ihm zu misstrauen.
Doch sie musste die ganze Wahrheit erfahren. Alles andere würde sie ins Verhängnis stürzen.
Ich erreichte einen gewaltigen Saal, wo Diener zur Vorbereitung der Feier Teppiche auslegten, Tische aufstellten und über einem Podest Seidengirlanden aufhängten. Die paar, die mich wahrnahmen, schauten
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