Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
hätte.
Ein leichtes Kräuseln seiner Lippen mochte als Lächeln durchgehen. »Ich bin hier, um Eure Meldung zu hören.«
»Meldung? Was für eine Meldung?«
»Für unseren gemeinsamen Auftraggeber natürlich. Es sei denn, Eure zweifelhafte Treue gilt wieder der Meute von niederträchtigen Verrätern, die Euch aufgezogen haben.«
Ich blickte ihm fest in die Augen. »Ich bin Euch keine Rechenschaft schuldig.«
»Ach nein? Das sehe ich anders. Mehr noch, unser Auftraggeber hat mir Euer Wohlergehen anvertraut. Ab sofort nehmt Ihr Eure Weisungen von mir entgegen.« Walsingham machte eine Kunstpause. »Das bedeutet, dass Ihr, was immer Ihr zu melden habt, mir persönlich berichtet.« In der Dunkelheit des Raumes wirkte er noch größer und so mager, dass man meinen konnte, der geringste Lichtstrahl könnte seine Haut durchdringen und jede Kante seines kadaverhaften Gesichts entblößen. Seine eingesunkenen Augen waren schwarz und matt wie kalte Asche, die Augen eines Mannes, der Dinge gesehen und getan hatte, von denen mir jede Vorstellung fehlte.
Widerstrebend steckte ich den Dolch ein. Ich traute diesem Mann nicht. Er strahlte einen Mangel an Moral und eine Verderbtheit aus, die er wie eine zweite Haut trug. Er war wohl wirklich dazu fähig, ohne lang zu fackeln alles zu tun, was seinen Zwecken diente. Gleichwohl war er Cecil gegenüber verantwortlich, und in meiner momentanen Notlage blieb mir nichts anderes übrig, als ihm zu gehorchen. Jedenfalls bis zu einem bestimmten Grad. Während meine linke Hand immer noch Roberts Brief umschloss, erklärte ich: »Ich bin gerade erst angekommen und habe nichts zu melden.«
»Ihr lügt.« Sein Blick durchbohrte mich. »Ich mag keine Mätzchen von Grünschnäbeln und halte auch nichts davon, sie in meine Dienste zu nehmen. Aber ich werde dem fehlgeleiteten Vertrauen unseres Auftraggebers in Euch Rechnung tragen, fürs Erste zumindest. Darum frage ich Euch noch einmal: Was habt Ihr zu berichten?«
Ich zögerte so lange, bis ich sah, wie er die Zähne aufeinanderpresste. Erst dann öffnete ich, mein Missfallen deutlich bekundend, die Hand und offenbarte das zerknüllte Schreiben. »Gut, da habt Ihr es.«
Er nahm es mir ab. Eigentümlicherweise hatte er die Hände einer Frau, weich und weiß, aber mit Sicherheit eisig kalt. Geschickt schob er einen langen Fingernagel unter das Siegel und löste es mit der Präzision eines Fachmannes vom Papier. Sobald er den Brief überflogen hatte, faltete er ihn wieder zusammen und klebte das Siegel zurück an seinen Platz.
Mit den Worten »Ein idealer Ort für ein Schäferstündchen« gab er mir das Schreiben zurück. »Abgelegen, einsam und doch nahe einer Geheimpforte ins Freie. Ihre Hoheit versteht sich vortrefflich auf dieses Spiel.«
Die kühle Bewunderung in seiner ansonsten leidenschaftslosen Stimme überraschte mich. »Ihr billigt das? Aber … ich dachte …« Ich stockte. Mir war selbst nicht klar, was ich dachte. Ich war angewiesen worden, mir Roberts Vertrauen zu bewahren, zu lauschen und alles zu melden und – falls möglich – der Prinzessin bei der Flucht zu helfen. Plötzlich begriff ich, dass niemand mich fürs Denken angeworben hatte, und sah mich auf einmal als genau das, was er mich genannt hatte: ein Grünschnabel und eine Marionette, die an den Fäden eines unbekannten Puppenspielers hing.
Walsingham musterte mich. »Habt Ihr etwa geglaubt, wir hätten tagelang Zeit, um unsere Pläne auszutarieren? Das beweist nur wieder, wie ungeeignet Ihr seid. In Angelegenheiten wie dieser hängt der Erfolg von zügigem Handeln ab. Ein erfahrener Spion würde das sofort verstehen.«
»Hört zu!« Zu meinem Verdruss schaffte ich es nicht, ein Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. »Ich habe nicht darum gebeten, in diese Geschichte verwickelt zu werden. Ihr habt mich da hineingezwungen, oder habt Ihr das vergessen? Weder Ihr noch Cecil habt mir eine Wahl gelassen. Wenn ich mich nicht damit einverstanden erklärt hätte, Euch zu helfen, läge ich jetzt zweifellos am Grund des Flusses.«
»Wir haben immer eine Wahl. Ihr habt Euch einfach für die Seite entschieden, die Euch die meisten Vorteile bietet. Jeder würde so handeln. Gibt es sonst noch etwas, worüber Ihr Euch beschweren wollt?«
Erneut nahm er mir den Wind aus den Segeln. Mir fiel beim besten Willen niemand ein, bei dem es mich noch mehr gestört hätte, ihm meine Informationen mitzuteilen. Aber sie für mich zu behalten wäre für Elizabeth nicht hilfreich.
Weitere Kostenlose Bücher