Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
ihrer Nähe gesehen werden! Ihr seid sein Diener. Falls die beiden sich treffen, darf niemand davon erfahren.« Sie spähte verstohlen zum Eingang, um sich dann wieder mir zuzuwenden. »Gebt mir seine Antwort. Ich sorge dafür, dass sie sie liest, da könnt Ihr beruhigt sein.«
Ich tat so, als überlegte ich. Dann zog ich den Brief unter meinem Wams hervor, doch als sie danach griff, verbarg ich ihn blitzschnell hinter meinem Rücken. »Ich muss schon sagen, das trifft sich wirklich günstig – dass Ihr gerade in dem Moment da seid, in dem ich hier ankomme.«
Sie hob das Kinn. »Was soll das heißen?«
»Na ja, zuerst habe ich Euch im Whitehall-Palast gesehen.«
»Ja, und …?«
»Dort schient Ihr nicht so sehr um Eure Herrin besorgt, als sie den Saal verließ. Dabei war sie in dem Moment erkennbar in argen Nöten. Mehr noch, ich habe Euch mit Master Walsingham sprechen sehen. Darum glaube ich, dass ich erst ein paar Antworten brauche, bevor ich das Schreiben aushändige.«
Sie warf den Kopf zurück. »Dafür habe ich keine Zeit. Behaltet den Brief Eures Herrn. Ich weiß ohnehin, was darin steht.« Sie wollte schon an mir vorbeistürmen.
Ich stellte mich ihr in den Weg. »Ich fürchte, ich muss darauf bestehen.«
»Ich kann schreien«, warnte sie mich. »Ich bin die Vertraute der Prinzessin. Die Herren dort drüben wären binnen Sekunden zur Stelle, und das wäre gar nicht gut für Euch.«
»Das könntet Ihr. Aber Ihr werdet es nicht tun. Schließlich wollt Ihr nicht, dass Euer Bewunderer dort drüben erfährt, was Ihr noch alles macht, außer mir die Küchen zu zeigen.« Ich richtete mich zu meiner vollen Größe auf. »Also, wer hat Euch gesagt, dass ich komme? Walsingham? Seid Ihr seine Geliebte? Wenn ja, wird Ihre Hoheit nicht sehr erbaut davon sein zu erfahren, dass ihre eigene Kammerfrau, der sie ihre persönliche Korrespondenz anvertraut, dafür bezahlt wird, dass sie sie ausspioniert.«
Kate brach in Lachen aus, schlug sich aber sofort die Hand vor den Mund. »Für diese Art von Dingen seid Ihr wirklich zu unerfahren«, sagte sie leise. »Ich sollte Euch ohne jedes weitere Wort wegschicken. Aber da die Zeit drängt, sage ich Euch: Nein, ich bin nicht Walsinghams Geliebte. Ich kenne ihn nur deshalb, weil Ihre Hoheit mit Master Cecil bekannt ist. Oder vielmehr: Ich weiß von ihm. Er ist ein bezahlter Informant. Und wenn die Gerüchte zutreffen, wurde er in Italien zum Mörder ausgebildet.«
»Von daher also seine galanten Manieren.«
Ein ironisches Lächeln spielte um ihre Lippen. »Richtig. Er stand zufällig in meiner Nähe, als Ihre Hoheit den Saal verließ. Ich versichere Euch: Wir haben nur die üblichen Freundlichkeiten ausgetauscht.«
»Wahrscheinlich habt Ihr auch nie ihre Gespräche belauscht«, bemerkte ich trocken.
»Doch, das habe ich getan. Sie nennt mich ihre Ohren. Ich bin der Grund, warum sie sich nicht auf Klatsch verlassen muss, was sich für jemanden ihres Ranges in der Tat nicht ziemen würde. Und bevor Ihr mich fragt: Ich habe auch zu lauschen versucht, als Ihr der Herzogin von Suffolk vorgestellt wurdet. Ich habe mir gesagt, dass Ihre Hoheit gewiss erfahren will, warum Ihr zu ihrer Cousine geführt wurdet.«
Sie hielt inne und studierte mein Gesicht. Mit einem Schlag wurde ihre Miene weicher und nahm einen beinahe mitleidigen Ausdruck an. Das verblüffte mich nun wirklich, zumal er aufrichtig wirkte. »Ich verstehe, dass Ihr keinen Grund habt, mir zu vertrauen, aber ich würde sie nie verraten. Ihre Tante, Mary Boleyn, die Schwester ihrer Mutter Königin Anne, war die Gönnerin meiner Mutter. Obwohl wir nicht miteinander verwandt sind, könnte ich sie nicht mehr lieben als jemanden von meinem eigen Fleisch und Blut.«
»Verwandte lieben sich nicht immer«, entgegnete ich, doch mein Misstrauen hatte sich aufgelöst. »Mehr noch, meistens scheint das Gegenteil der Fall zu sein.« Meine Stimme bebte auf einmal. Zu meinem Verdruss hatte ich mich nicht mehr unter Kontrolle. »So wahr mir Gott helfe, ich weiß nicht mehr, wem oder was ich jetzt noch glauben kann!«
Nach langem Schweigen antwortete sie: »Traut Ihrer Hoheit. Das ist doch der Grund, warum Ihr hier seid, nicht wahr? Sie hat mir erzählt, dass Ihr ihr Eure Hilfe angeboten habt, sie das aber abgelehnt hat. Wisst Ihr, warum?«
Ich nickte. »Ja. Sie wollte nicht, dass mir ihretwegen etwas zustößt.« Nach kurzem Zögern überreichte ich ihr den Brief. Sie steckte ihn sogleich unter ihr Mieder.
Schritte näherten
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