Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
bemerkte einen merkwürdigen Ausdruck in ihren Augen. »Eine Kräuterkundige?« Ihr scharfer Blick war ein Instrument, mit dem sie mein Inneres regelrecht sezierte. »Eine kleine Frau mit einem fröhlichen Lachen?«
Ich begann zu zittern. Sie wusste es. Sie kannte Mistress Alice. »Ja«, hauchte ich.
Die Herzogin prallte zurück. »Das kann nicht sein. Du … du bist ein Blender, der von Cecil seine Anweisungen erhalten hat und von den Dudleys bezahlt wird.« Ihre nächsten Worte stürzten wie ein kochend heißer Wasserfall auf mich herab. »Wegen dir haben sie mich gezwungen, ihnen meine Tochter auszuhändigen, damit dieser Schwächling sie heiraten kann! Wegen dir bin ich gedemütigt und meines gottgegebenen Rechts beraubt worden!«
Sie holte Luft. Mit beängstigender Stimme setzte sie die Tirade fort: »Aber so leicht lasse ich mich nicht hereinlegen. Und wenn dieses Königreich vor die Hunde geht, ich werde nicht zulassen, dass diese Dudley-Hexe und ihr verzogener Sohn über mich triumphieren.«
Und da, während ich hilflos in den Händen des riesigen Schergen hing, ergaben ihre Worte mit einem Schlag einen erschreckenden Sinn.
»Ach, Eure Durchlaucht«, tschilpte Stokes schadenfroh. »Ich glaube, er sagt die Wahrheit. Er hat wirklich keine Ahnung, was sie mit ihm machen. Er weiß nicht, wer er ist.«
»Das wird sich noch herausstellen!«, blaffte sie. Sie hielt mir ihren Stock direkt vors Gesicht und machte sich am Griff zu schaffen. Mit einem Klicken sprang etwas Glitzerndes aus einem Schlitz – eine verborgene Klinge, so dünn, dass man damit ein Auge herausschälen konnte.
»Siehst du, wie fein sie ist? Ich kann sie in einen Stoß Papiere schieben, ohne an einem einzigen Blatt Spuren zu hinterlassen. Oder ich kann sie durch gekochtes Leder stoßen.« Sie ließ die Klinge an mir hinuntergleiten, bis sie mein Schambein kitzelte.
Ich hörte Stokes kichern. Unbeirrt erwiderte ich ihr Starren. Noch war ich nicht verloren. Vielleicht konnte mich Unwissenheit retten.
»Ich schwöre Euch, ich weiß nicht, wovon Eure Durchlaucht sprechen.«
Einen Moment lang weichten Zweifel ihre entschlossene Miene auf. Dann kehrten wieder diese Wildheit und Verschlagenheit zurück, und ich wusste, dass es vorbei war.
»Sie haben dich gut angelernt. Du spielst den Unwissenden wirklich meisterhaft. Vielleicht bist du das, als was du dich ausgibst: ein erbärmlicher Unglücksrabe, den sie gegen mich benutzen wollen. Cecil könnte Lady Dudley die Geschichte erzählt und ihr die Idee in den Kopf gesetzt haben, dass das die Waffe ist, die ihr fehlte.« Ein hämisches Lachen rasselte in der Brust der Herzogin. »Zuzutrauen ist es ihm. Das und noch viel mehr. Es ist ein hinterhältiges Spiel, das sie treiben, jeder für seine eigenen Zwecke. Dafür werden sie sterben, wenn ich erst einmal mit ihnen fertig bin. Sie werden noch bereuen, dass sie mir in die Quere gekommen sind und mich zum Narren gehalten haben.«
Sie verharrte. Ihr Gesichtsausdruck war so anders als alles, was ich bisher gesehen hatte – eine dunkle Maske bar jeder Anteilnahme, ja jedes Gefühls. »Was dich betrifft, ist es völlig gleichgültig, wer du wirklich bist.« Sie fuhr zu Stokes herum. »Ich habe genug Zeit vergeudet. Wann ist es so weit?«
»Sobald die Flut steigt. Der ganze Hof wird auf dem Rundgang sein und das Feuerwerk bewundern.« Er kicherte. »Nicht, dass sie etwas ahnen werden. Seit Jahren ist niemand mehr hier unten gewesen. Hier stinkt es nach papistischen Lastern.«
Jetzt hatte ich es klar vor Augen. Die letzten Teilchen fügten sich zu einem erschreckenden Ganzen. Während die Feier zu Ehren des Brautpaars Guilford und Jane Grey den Hof ablenkte, würde Robert, der – wie er das sah – von seinem Vater um sein natürliches Recht auf eine königliche Braut betrogen worden war, Elizabeth treffen. Von seinem eigenen maßlosen Ehrgeiz geblendet, hatte er ihr freilich nur noch leere Worte zu bieten.
Der Herzog hatte keineswegs die Absicht, ihn die Prinzessin heiraten zu lassen. Jane Grey war jetzt seine Waffe, ein perfektes Werkzeug mit Tudor-Blut als Braut seines formbaren jüngsten Sohnes. Zwei unglückselige Heranwachsende sollten die nächsten Monarchen auf dem englischen Thron sein, während auf Elizabeth und ihre Schwester Mary das Schafott wartete.
Der Scherge ließ mich los und drosch mir die Faust mit solcher Wucht ins Gesicht, dass ich der Länge nach hinfiel.
»Schluss damit«, mahnte die Herzogin. »Es muss aussehen, als
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