Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
vorüber. Wieder sah ich das Tollhaus, das Labyrinth von Whitehall, die Gesichter derer, die ich kennengelernt hatte und die meinen Untergang herbeigeführt hatten. Ich dachte an Peregrine. Von ihnen allen würde er vielleicht als Einziger um mich trauern. Und als ich meine Wehmut nicht mehr ertragen konnte, rief ich mir Kate Stafford ins Gedächtnis und den Moment, als sie mich geküsst hatte. Und ich betrachtete die Zwillingssonnen in Elizabeths Augen.
Elizabeth .
Glühend strömte das Blut durch meine Glieder. Ich konnte spüren, wie das Wasser an mir hochkroch, mit klammen Fingern gierig meine Brust betastete. Dann stellte ich mir den Geschmack des Todes in meinem Mund und die Lungen voller Schlick vor. Wütend fuhr ich herum, hämmerte gegen den noch nicht unter Wasser stehenden oberen Teil der Tür und stieß erneut wilde Schreie aus. Es muss ein Gebrüll wie von wilden Tieren gewesen sein. Ob jemand antwortete, war mir in diesem Moment nicht so wichtig. Ich wehrte mich schlichtweg dagegen, in Stille zu ertrinken.
Dann, wie von der anderen Seite einer Schlucht, vernahm ich plötzlich einen schwachen Ruf. »Brendaaaan!«
Ich hielt inne, presste das Ohr an die Tür, lauschte.
»Brendan! Brendan, bist du da?«
»Ich bin hier! Hier!« Ich trommelte gegen das Holz, bis meine Knöchel bluteten. »Hier! Ich bin hier !« Meine Knie wollten nachgeben, als das gedämpfte Platschen von den durch Wasser watenden Füßen lauter wurde und geradewegs auf mich zukam. »Mach auf! Mach auf!« Unsichtbare Hände ruckelten am Riegel, zogen ihn zurück.
»Vorsicht!«, schrie ich. »Die Zelle ist überflutet. Spring zurück, bevor …«
Ich wurde von den Füßen gerissen und von den hinausflutenden Wassermassen an die Wand gegenüber geschleudert. Nur noch ein formloser, tropfnasser Lumpen, glitt ich zu Boden.
Über dem Tosen herrschte Stille. Sie wurde durchbrochen von einer verängstigten Stimme. »Lebst du noch?«
»Wenn ich tot bin, musst du es auch sein«, murmelte ich. Arme so massiv wie Marmor wuchteten mich hoch. Vor mir standen zwei Gestalten; eine davon war Peregrine. Die andere, ein Riese mit karottenrotem Schopf, kantigem Kinn und von Pickeln verunstaltetem Gesicht, war ein Fremder.
»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte Peregrine entsetzt. »Du siehst ja schrecklich aus.«
»Das würdest du auch, wenn dich jemand als Bärenköder benutzt hätte.« Ich blickte den Fremden an. »Danke.«
Der Riese nickte. Seine von Sommersprossen bedeckten Hände, groß wie Schaufeln, hingen reglos an ihm herab. Ich wandte mich Peregrine zu. »Wie habt ihr mich gefunden?«
»Das hier.« Er zeigte mir mein zerknittertes Wams. »Wir haben es am Eingang liegen sehen. Und als Barnaby einen Mann weglaufen sah, haben wir uns auf die Suche nach dir gemacht.«
»Dieses alte Kloster mit den unterirdischen Kreuzgängen und Zellen gehörte früher den Greyfriars«, ergänzte der Mann namens Barnaby, »aber dann hat Henry sie rausgeworfen. Es ist seit Jahren verwaist. Wenn sich jetzt noch jemand hier herumtreibt, verfolgt er höchstwahrscheinlich keine guten Absichten. Und als ich diesen Mann sah, war mir sofort klar, dass etwas nicht stimmte.«
Ich zog das Wams wieder an, dankbar, etwas Trockenes am Leib zu haben. Ich war bis auf die Knochen durchgefroren.
»So richtig konnten wir ihn nicht sehen«, berichtete Peregrine weiter. Er war aufgeregt, jetzt, da ihm dämmerte, dass sie mir gerade das Leben gerettet hatten. »Es war schon zu dunkel, und er war ganz in Schwarz gekleidet. Aber Barnaby ist er trotzdem aufgefallen. Der Bursche hat richtige Habichtsaugen – zu deinem Glück. Und wenn wir nicht zufällig dein Wams entdeckt hätten, wären wir nie auf die Idee verfallen, hier unten nach dir zu suchen.« Er verstummte und betrachtete mich voller Ehrfurcht. »Jemand muss sich deinen Tod wirklich dringend gewünscht haben.«
»Allerdings. Hatte dieser Mann jemanden dabei?« Eigentlich hatte ich es gar nicht mehr nötig, mich nach dem Mann in Schwarz zu erkundigen. Ich wusste ja längst, wer er war.
Barnaby schüttelte den Kopf. »Er war allein. Merkwürdig – man hätte meinen können, er wollte von uns gesehen werden. Er hätte alle möglichen Wege nehmen können, legte es aber darauf an, unmittelbar vor unseren Augen herumzuspazieren.«
Endlich hatte ich Zeit, mich zu sammeln. Ich fuhr mir mit der Hand durch das schlammbedeckte Haar, dann verbeugte ich mich vor dem jungen Riesen. »Ihr müsst Master Fitzpatrick sein,
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