Die Tudor-Verschwörung: Historischer Roman (German Edition)
über sein Ableben zu spekulieren, nicht wahr?« Sie machte eine Pause. »Habt Ihr nicht gesagt, ich könnte alles haben, was ich mir wünsche? Würdet Ihr mich tatsächlich in der Stunde meiner größten Not im Stich lassen?«
»Ihr spielt mit mir!« Er sprang auf – ein übermächtiger Hüne im Vergleich zu ihrer zierlichen Gestalt. »Ich bin nicht zum Spielen gekommen. Ich bin gekommen, um Euch zu warnen: Euer Recht auf den Thron ist in Gefahr.«
»Ich habe gar kein Recht darauf«, konterte sie schlagfertig. Gleichwohl bemerkte ich, dass ihre Stimme etwas weniger entschlossen klang, nachgiebiger. »Meine Schwester Mary ist die Erbin, nicht ich. Wenn Ihr also jemanden warnen müsst, dann sie.«
Robert ergriff ihre Hand. »Ich bitte Euch. Wir sind keine Kinder mehr. Wir müssen nicht mehr herausfinden, wer wen übertölpeln kann. Ihr wisst genauso gut wie ich, dass das Volk Eure Schwester nicht als seine Königin haben will. Sie steht für Rom und die Vergangenheit, für alles, was es verabscheut.«
»Und doch ist sie die rechtmäßige – die einzige – Erbin«, wandte Elizabeth ein. Sie entzog ihm ihre Hand. »Und wer kann schon sagen, was kommt? Mary könnte die Konfession wechseln, wozu dieser Tage ja viele neigen. Schließlich ist sie eine Tudor, und wir gehören bekanntlich nicht zu denjenigen, die sich von der Religion behindern lassen.«
Robert betrachtete sie mit beunruhigender Vertrautheit. Ich hatte nie darüber nachgedacht, wie viel gemeinsame Geschichte sich in zwanzig Jahren ansammeln mochte, wie zwei Kinder, die in einer Welt der Intrige und Täuschung aufgewachsen waren, dazu kommen konnten, sich in fast allem aufeinander zu verlassen.
»Haltet Ihr mich für einen Narren?«, beschwerte sich Robert. »Ihr wisst genau, dass Mary ihren Glauben zur Not mit dem eigenen Leben verteidigen würde. Ihr wisst das. Der Kronrat weiß es. Euer Bruder, der König, weiß es, und …«
»Euer Vater weiß es von allen am besten«, unterbrach ihn Elizabeth. »Man könnte sogar sagen, er baut darauf.« Sie musterte ihn mit einem – trotz aller Vertrautheit – abschätzenden Blick, der ihn wie einen Anfänger wirken ließ. »Ist das der Grund, warum Ihr mich treffen wolltet? Sind wir einander in den letzten zwei Tagen aus dem Weg gegangen, nur damit Ihr mir sagen könnt, dass meine Schwester den Thron wegen des Glaubens, zu dem sie erzogen wurde, nicht besteigen darf?«
»Himmelherrgott! Ich bin gekommen, um Euch zu sagen, dass in den Augen des Volkes nur Ihr – und sonst niemand – das Recht habt, Königin zu sein. Ihr seid die Prinzessin, die es verehrt; Ihr seid diejenige, auf die es wartet. Es würde zu den Waffen greifen, um Euch auf den Thron zu helfen. Ihr bräuchtet es nur zu befehlen. Die Leute würden Euch mit ihrem Leben verteidigen.«
»Würden sie das?« Elizabeths Worte waren eine grausame Liebkosung. »Es gab eine Zeit, als sie dasselbe für Marys Mutter getan hätten. Damals war Katharina von Aragón für das Volk die rechtmäßige Königin, und meine Mutter war die verhasste Usurpatorin. Wollt Ihr, dass ich die Rolle einer Toten übernehme?«
Die Luft knisterte, die Spannung war förmlich mit Händen zu greifen. Zwischen den beiden gab es tatsächlich eine lange Geschichte, und es waren Gefühle im Spiel – zu viele, wie ich fand. So erhielt ich meinen ersten Einblick in eine Leidenschaft, die so tief, so explosiv war, dass sie, wurde sie erst einmal entfesselt, alles um sich herum zerstören konnte.
»Warum müsst Ihr mich immer verspotten?«, beklagte sich Robert mit bebender Stimme. »Ihr fürchtet doch ebenso wie ich, dass Mary den Thron besteigt. Ihr wisst, dass damit das Ende der Kirche besiegelt wäre, die Euer Vater gegründet hat, um Eure Mutter heiraten zu können. Dann wären alle Hoffnungen auf Frieden und Wohlstand ein Trümmerhaufen. Mary wird uns in kürzester Zeit die Inquisition auf den Hals hetzen. Darum stehen das Volk und der größte Teil des Adels auf Eurer Seite. Und ich! Wer es wagt, Euer Recht anzuzweifeln, bekommt mein Schwert zu spüren!«
Sie musterte ihn schweigend. Von meinem Versteck aus konnte ich sie zögern sehen und erkannte an ihrer bestürzten Miene, dass sie mit einem Mal begriff, was alles auf dem Spiel stand und wie viel sie gewinnen konnte. Zugleich führte ich mir vor Augen, welchen inneren Kampf sie in diesem Moment ausfocht, denn sie musste sich ja irgendwie mit der von dem Blut ihrer Mutter besudelten Vergangenheit aussöhnen, nachdem Henry
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