Die Türen seines Gesichts
Welle von Störgeräuschen hinweggespült wurde, begann ich unruhig zu werden.
Ich rief die Wetterzentrale und verlangte einen Bericht. Die Mädchenstimme auf dem Tonband sagte mir, daß am Nachmittag mit jahreszeitlich bedingten Regenfällen zu rechnen sei. Ich legte auf und schaltete ein Auge von der ventralen Perspektive auf die dorsale.
Keine Wolke. Kein Lufthauch. Nur eine Formation grünflügeliger Himmelskröten, die nach Norden strebten, zogen über den Bildschirm.
Ich schaltete zurück und sah zu, wie der Verkehr langsam und gemächlich über Bettys saubere wohlgepflegte Straße floß. Drei Männer verließen die Bank, und zwei weitere betraten sie. Ich kannte die drei, die das Gebäude verließen, und winkte ihnen im Geiste zu, als sie über den Monitor zogen. Auf dem Postamt war alles ruhig, auch beim Stahlwerk, bei den Viehpferchen, bei den Synthoplastwerken, im Flughafen, in den Raumhäfen und in den Einkaufszentren. Fahrzeuge kamen und gingen in den Garagen, krochen aus den Regenbogenwäldern und den Bergen dahinter, glichen dunklen Schnecken und hinterließen Kettenspuren, die ihr Kommen und Gehen durch die Wildnis markierten; und die Felder waren noch gelb und braun und zeigten gelegentlich grüne und rosafarbene Flecken; die Landhäuser, in erster Linie einfache Häuser aus Fertigelementen, alle mit einem großen Blitzableiter versehen, waren in viele Farben getaucht. Sie zeigten sich auf meinem Bildfeld und verschwanden wieder, als ich meine Augen erneut in die Runde schickte und meine Galerie von einhundertdreißig, stets wechselnden Bildern an der großen Wand des Kontrollzentrums über dem Wachturm der Stadthalle musterte.
Das Störgeräusch schwoll an und ab, bis ich das Radio ausschalten mußte. Musik, bruchstückweise dargeboten, ist noch schlimmer als gar keine Musik.
Meine Augen, die gewichtslos an den magnetischen Kraftlinien entlangschwebten, begannen wieder zu blinzeln.
Jetzt wußte ich, daß uns mit Sicherheit etwas bevorstand.
Ich jagte ein Auge mit Höchstgeschwindigkeit zur Saint-Stephens-Bergkette; das bedeutete zwanzig Minuten Wartezeit, bis es den Bergkamm erreichte. Ein weiteres schickte ich gerade nach oben, himmelwärts, und das bedeutete vielleicht zehn Minuten für eine Fernaufnahme der gleichen Szene. Und dann übergab ich die ganze Anlage dem Auto-Scanner und ging einen Kaffee trinken.
Ich betrat das Vorzimmer des Bürgermeisters, zwinkerte Lotti, seiner Sekretärin zu, und warf einen Blick auf die innere Tür.
„Ist der Bürgermeister da?“ fragte ich.
Lotti, ein etwas kräftig geratenes, aber wohlgerundetes Mädchen unbestimmbaren Alters und mit deutlich ausgeprägter Akne, widmete mir gelegentlich ein Lächeln, aber dies war keine jener Gelegenheiten.
„Ja“, sagte sie und wandte sich wieder ihren Papieren zu.
Sie nickte, und ihre Ohrringe tanzten. Mit ihren dunklen Augen und ihrer dunklen Gesichtshaut hätte sie sogar so etwas wie attraktiv sein können, wenn sie sich nur das Haar richten und etwas mehr Make-up benutzen würde. Nun …
Ich ging an die Tür und klopfte.
„Wer?“ fragte der Bürgermeister.
„Ich“, sagte ich und öffnete. „Gottfried Justin Holmes, Kurzform ‚Gott’. Ich suche jemanden, der mit mir eine Tasse Kaffee trinkt. Ich hab’ mir Sie dazu ausgewählt.“
Sie drehte sich in ihrem Drehsessel vom Fenster weg, durch das sie ’rausgeblickt hatte, und ihr blond-weiß-meliertes, kurzes und in der Mitte gescheiteltes Haar flatterte beim Drehen etwas – wie eine Schneeflocke, die in einem Sonnenstrahl tanzt und von einem plötzlichen Wind erfaßt wird.
Sie lächelte und sagte: „Ich bin beschäftigt … aber nicht zu beschäftigt, um nicht eine Tasse Kaffee mit Gott zu trinken. Nehmen Sie sich einen Stuhl, dann manche ich uns Pulverkaffee.“
Während sie Kaffee machte, lehnte ich mich zurück, zündete mir eine Zigarette an, die ich aus ihrer Dose genommen hatte, und meinte: „Sieht nach Regen aus.“
„Hm“, sagte sie.
„Ich mach’ nicht bloß Konversation“, sagte ich. „Da braut sich ein übler Sturm zusammen. Irgendwo über dem Saint-Stephen glaube ich. Ich werd’s bald genau wissen.“
„Ja, Opa“, sagte sie und brachte mir meinen Kaffee. „Ihr alten Knacker mit euren Wehwehchen seid oft besser als die Wetterzentrale. Das ist eine erwiesene Tatsache. Ich sag’ auch gar nichts dagegen.“
Sie lächelte, runzelte die Stirn und lächelte aufs neue.
„Sie werden schon sehen“, sagte ich. „Wenn das
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