Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
Vom Netzwerk:
Spiegel vor Südamerika auf, um den großen Buckel von rechts nach links zu bekommen, dann drehen Sie den Kontinent um neunzig Grad gegen den Uhrzeigersinn und schieben ihn auf die nördliche Halbkugel. Klar? Gut. Und jetzt nehmen Sie ihn am Schwanz und ziehen. Dehnen Sie ihn nochmal achthundert oder tausend Kilometer, so daß es in der Mitte etwas dünner wird, und lassen Sie die letzten sieben- oder achthundert Kilometer über den Äquator fallen. Da haben Sie dann Cygnus mit seinem großen Golf, der zum Teil in den Tropen, zum Teil außerhalb ist. Nur der Ordnung halber, wenn Sie schon dabei sind, brechen Sie Australien in acht Stücke und werfen Sie sie willkürlich auf die südliche Halbkugel und benennen Sie sie nach den ersten acht Buchstaben im griechischen Alphabet. Dann geben Sie ’nen hübschen Klacks Vanilleeis auf jeden Pol und vergessen ja nicht, den ganzen Globus um etwa achtzehn Grad abzukippen. Danke.
    Ich rief meine wandernden Augen zurück und ließ ein paar von den anderen auf Saint-Stephen eingestellt, bis die Wolkenbänke in etwa einer Stunde den Kamm überfluten würden. Aber bis dahin war bereits der Wettersatellit über uns gewesen und hatte das Ding ebenfalls aufgenommen. Er meldete eine ziemlich ausgedehnte Wolkendecke auf der anderen Seite. Der Sturm war ganz plötzlich entstanden, so wie das hier auf Cygnus häufig der Fall ist. Oft lösen sich die Stürme dann ebenso schnell nach ungefähr einer Stunde himmlischen Artilleriefeuers wieder auf. Aber dann gibt es auch schlimme – die hängen fest und hören einfach nicht mehr auf, zu donnern und zu blitzen.
    Bettys Position ist manchmal etwas heikel, wenn auch die Vorteile normalerweise die Nachteile aufwiegen. Wir leben am Golf, etwa dreißig Kilometer landeinwärts, und sind etwa fünf Kilometer von einem größeren Fluß entfernt, dem Noble; ein Teil von Betty reicht bis zu seinen Ufern, aber das ist nur ein kleinerer Teil. Wir sind beinahe eine Straßenstadt und liegen im großen und ganzen in einem Gebiet, das etwa zehn Kilometer lang und drei breit ist und sich östlich vom Fluß landeinwärts erstreckt, etwa parallel zur fernen Küste. Etwa achtzig Prozent unserer Bevölkerung von ca. 100000 konzentriert sich im Geschäftsviertel, das acht Kilometer vom Fluß entfernt ist.
    Wir sind zwar nicht das am tiefsten liegende Land hier in der Umgebung, aber auch weit davon entfernt, am höchsten zu liegen. Jedenfalls wohnen wir auf der flachsten Ecke Land, die es in dieser Gegend gibt. Abgesehen von unserer Äquatornähe war es besonders diese Eigenschaft, die bei der Gründung von Station Beta eine entscheidende Rolle spielte. Ein anderes Kriterium war unsere fluß- und meernahe Lage. Es gibt neun weitere Städte auf dem Kontinent, die alle jünger und kleiner sind. Zwei davon liegen stromaufwärts. Wir sind die potentielle Hauptstadt eines potentiellen Landes.
    Wir bieten eine bequeme glatte Landefläche für Landeboote von interstellaren Raumschiffen auf Kreisbahn und erfüllen eine ganze Anzahl wichtiger Anforderungen, die für das künftige Wachstum und die Koordinierung von Bedeutung sind, besonders, wenn es einmal darauf ankommt, den Kontinent zu füllen. Unser ursprünglicher Zweck aber war es, eine Relaisstation mit Reparaturdepot und Erfrischungsstand zu bilden, ein physischer und psychologischer „Auftankplatz“ auf dem Weg hinaus zu den stärker besiedelten Welten. Cyg wurde später entdeckt als viele andere, es passierte einfach so. Die anderen konnten also wesentlich früher anfangen. Aus diesem Grund ziehen die anderen normalerweise auch mehr Kolonisten an. Wir sind noch ziemlich primitiv. Unsere unbedingt erforderliche Autarkie verlangte es, daß sich unsere Gesellschaft ähnlich der entwickelte, die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts im Südwesten Amerikas üblich war, wenigstens für den Anfang. Selbst jetzt wird Cyg noch im wesentlichen von einem natürlichen Wirtschaftssystem beherrscht, obwohl theoretisch natürlich die Erdzentrale unsere Währung bestimmt.
    Warum eigentlich eine Relaisstation, wenn man zwischen den Sternen doch die meiste Zeit schläft?
    Denken Sie eine Weile darüber nach, dann sage ich Ihnen, ob Sie recht haben.
    Die Gewitterwolken stiegen im Osten auf, jagten ihre Ableger hierhin und dorthin, bis es so aussah, als wäre Saint-Stephen ein Balkon voll Ungeheuer, die sich über die Brüstung beugten und zur Bühne – nämlich zu uns – herunterdrohten. Wolke türmte sich auf schieferfarbene Wolke.

Weitere Kostenlose Bücher