Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny

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Wetter es schafft, über die Berge zu kommen, wird’s ziemlich unangenehm. Der Empfang ist schon ganz durcheinander.“
    Weiße Bluse mit einer großen Schleife, ein schwarzer Rock, in dem eine gepflegte Figur steckte. Im Herbst würde sie vierzig werden, aber sie hatte ihre Gesichtsreflexe bis jetzt noch nicht genügend gezähmt; was mich betraf, machte sie das sehr attraktiv. Dabei verlieren so viele Leute ihren spontanen Ausdruck so schnell. Ich konnte genau sehen, was für ein Kind sie einmal gewesen war, indem ich sie nur ansah, ihr zuhörte. Und die Vorstellung, vierzig zu sein, machte ihr immer wieder zu schaffen, das merkte ich ganz genau. Sie macht sich immer über mein Alter lustig, wenn ihr eigenes sie stört.
    Sehen Sie, ich bin nämlich um die fünfunddreißig, also ein Stückchen jünger als sie, aber schon ihr Großvater hatte von mir gesprochen, als sie noch ein Kind war und ehe ich das letzte Mal zurückkam. Ich hatte den Rest seiner zweijährigen Amtsperiode übernommen, als Betty-Betas erster Bürgermeister, Wyeth, nach nur zwei Monaten im Amt gestorben war. Ich war vor fünfhundertsiebenundneunzig Jahren geboren worden, auf der Erde, aber etwa fünfhundertzweiundsechzig jener Jahre hatte ich schlafend auf den langen Reisen zwischen den Sternen verbracht. Ich habe ein paar Zeitreisen mehr als die anderen gemacht, folglich bin ich ein Anachronismus. In Wirklichkeit bin ich natürlich nur so alt, wie ich aussehe, aber trotzdem scheinen die Leute immer das Gefühl zu haben, daß ich irgendwie geschummelt habe, insbesondere Frauen in den mittleren Jahren. Manchmal kann einem das richtig auf die Nerven gehen …
    „Eleanor“, sagte ich, „Ihre Amtszeit ist im November um. Haben Sie immer noch vor, sich wieder aufstellen zu lassen?“
    Sie nahm die goldgeränderte Brille ab und strich sich mit Daumen und Zeigefinger über die Wimpern. Dann nahm sie einen Schluck von ihrem Kaffee.
    „Ich hab’ mich noch nicht entschieden.“
    „Ich stelle meine Frage auch nicht für die Presse“, sagte ich, „sondern für mich selbst.“
    „Wirklich, ich hab’ mich noch nicht entschieden“, sagte sie. „Ich weiß nicht …“
    „Gut. Sagen Sie mir’s, wenn’s soweit ist.“
    Ich trank etwas Kaffee.
    Nach einer Weile sagte sie: „Dinner am Samstag? Wie gewöhnlich?“
    „Ja, fein.“
    „Dann sage ich es Ihnen.“
    „Prima, Klasse.“
    Sie blickte in ihren Kaffee. Ich sah ein kleines Mädchen, das in einen Teich blickte und darauf wartete, daß die Wasserfläche klar wird, damit sie ihr Spiegelbild oder auf den Grund des Teiches sehen kann, vielleicht auch beides.
    Sie lächelte über das, was sie schließlich sah.
    „Ein schlimmer Sturm?“ fragte sie mich.
    „Hm. Ich spür’s in den Knochen.“
    „Haben Sie ihm schon gesagt, daß er weggehen soll?“
    „Probiert schon. Glaube aber nicht, daß er mag.“
    „Dann sollten wir vielleicht die Luken dichtmachen.“
    „Schaden könnte es nicht.“
    „In einer halben Stunde steht der Wettersatellit über uns. Haben Sie vorher schon Meldungen?“
    „Denke schon. Wahrscheinlich in ein paar Augenblicken.“
    Ich trank meine Tasse leer und wusch sie aus.
    „Geben Sie mir gleich Bescheid.“
    „Mach’ ich. Danke für den Kaffee.“
    Lotti arbeitete immer noch und blickte nicht auf, als ich an ihr vorbeiging.

    Als ich wieder oben ankam, befand sich mein höchstes Auge gerade in der richtigen Position. Ich ließ es auf dem Schwanz stehen und sah mir das Panorama an. Flauschige Wolkenbänke kochten und brodelten auf der anderen Seite des Saint-Stephen. Die Bergkette schien wie ein Wall, ein Damm, eine Felsküste. Dahinter tobten die Wasser.
    Mein anderes Auge war auch beinahe an Ort und Stelle angelangt. Ich wartete eine halbe Zigarette lang, dann lieferte es mir ein Bild.
    Grau, feucht und undurchdringlich, ein Vorhang, der quer über die Landschaft ging, das war es, was ich sah.
    … und näherkam!
    Ich rief Eleanor an.
    „Kinder, ’s wird regnen“, sagte ich.
    „Ist es ’n paar Sandsäcke wert?“
    „Kann schon sein.“
    „Dann wollen wir mal anfangen. Danke.“
    Ich widmete mich wieder meinen Beobachtungen.
    Tierra del Cygnus, Land des Schwanes – ein sympathischer Name. Er bezieht sich ebenso auf den Planeten wie auf dessen einzigen Kontinent.
    Wie soll man diese Welt beschreiben, auf die Schnelle, meine ich? Nun, etwa Erdgröße; genaugenommen eine Spur kleiner und wäßriger. Und was die Hauptlandmasse angeht, stellen Sie mal einen