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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Ereignis ins Logbuch ein.
    Während des letzten Monats ihres Dienstes fragte ihn Sanza: „Wird hier alles außer uns sterben? Die grünen Vögel und die großen Fleischfresser? Die komischen kleinen Bäume und die haarigen Raupen?“
    „Hoffentlich nicht“, sagte Jarry. „Ich habe die Aufzeichnung der Biologen gelesen. Ich denke, daß das Leben sich anpassen kann. Sobald es einmal irgendwo angefangen hat, tut es alles, was ihm möglich ist, um sich zu erhalten. Wahrscheinlich ist es für die Geschöpfe dieses Planeten besser, daß wir uns nur zwanzig Weltumformer leisten konnten. Auf diese Weise haben sie drei Jahrtausende Zeit, um sich mehr Pelz wachsen zu lassen und zu lernen, unsere Luft zu atmen und unser Wasser zu trinken. Mit hundert Einheiten hätten wir sie vielleicht ausgelöscht, und dann hätten wir Kaltweltgeschöpfe importieren oder züchten müssen. Auf diese Weise schaffen es vielleicht die Lebewesen, die jetzt hier leben.“
    „Komisch“, sagte sie, „aber mir kam gerade in den Sinn, daß wir hier genau das tun, was man uns angetan hat. Sie haben uns für Alyonal gemacht, und dann hat eine Nova ihn weggenommen. Diese Geschöpfe sind an diesem Ort aufgewachsen, und wir nehmen ihn jetzt weg. Wir verwandeln alles Leben auf diesem Planeten in das, was wir auf unseren ehemaligen Welten waren – in etwas, das nicht paßt.“
    „Der Unterschied ist nur, daß wir uns Zeit lassen dabei“, sagte Jarry, „und ihnen eine Chance geben, sich an die neuen Umstände anzupassen.“
    „Trotzdem habe ich das Gefühl, daß alles das – dort draußen“ – sie deutete auf das Fenster – „typisch für das ist, was diese Welt sein wird: ein einziges großen Totenland.“
    „Ein Totenland war dies schon, ehe wir kamen. Wir haben keine neuen Wüsten geschaffen.“
    „Alle Tiere ziehen nach dem Süden. Die Bäume sterben. Wenn sie so weit nach Süden gekommen sind, wie das möglich ist, und die Temperatur immer noch absinkt und die Luft immer noch in ihren Lungen brennt – dann wird für sie alles zu Ende sein.“
    „Bis dahin haben sie sich vielleicht angepaßt. Die Bäume breiten sich aus, sie entwickeln dickere Borke. Das Leben wird es durchstehen.“
    „Da frage ich mich …“
    „Würdest du lieber schlafen, bis alles vorbei ist?“
    „Nein, ich möchte immer an deiner Seite sein.“
    „Dann mußt du dich mit der Tatsache anfreunden, daß irgend etwas immer unter Veränderungen leidet. Wenn du das tust, wirst du selbst nicht leiden.“
    Dann lauschten sie den ansteigenden Winden.
    Drei Tage später, in der Stille des Sonnenuntergangs, zwischen den Winden des Tages und den Winden der Nacht, rief sie ihn ans Fenster. Er stieg in den zweiten Stock und trat neben sie. Ihre Brüste waren im Licht der untergehenden Sonne rosafarben und die Stellen darunter silbern und dunkel. Der Pelz ihrer Schultern und Schenkel war wie eine Aura aus Rauch. Ihr Gesicht war ausdruckslos, und ihre großen grünen Augen waren nicht auf ihn gerichtet.
    Er blickte hinaus.
    Die ersten großen Flocken fielen, blau im rosafarbenen Licht. Sie wehten an den Felsformationen und dem knorrigen Normform vorbei; einige blieben an der dicken Fensterscheibe aus Quarz hängen; sie fielen auf die Wüste und blieben dort wie Blüten aus Zyanid liegen; sie wirbelten, als immer mehr von ihnen fielen und die schrecklichen Winde die ersten erfaßten. Dunkle Wolken hatten sich über ihnen zusammengeballt, und aus ihnen senkten sich jetzt große Kabel und Netze aus Blau herunter. Jetzt blitzten die Flocken wie Schmetterlinge am Fenster vorbei, und die Umrisse von Totenland flackerten. Das Rosa verschwand, und es gab nur noch Blau, Blau und dunkler werdendes Blau, und dann hallte das erste große Seufzen des Abends in ihren Ohren, und die Wolken schoben sich zur Seite statt nach unten und verfärbten sich nach Indigo hin, als sie vorbeirasten.
     
    „Die Maschine verstummt nie“, schrieb Jarry. „Manchmal bilde ich mir ein, ich könnte in ihrem gleichmäßigen Summen Stimmen hören, in ihrem gelegentlichen Murren, ihrem Knattern. Ich bin hier allein in der Station Totenland. Fünf Jahrhunderte sind seit unserer Ankunft verstrichen. Ich hielt es für besser, diesmal Sanza ihre Wachzeit verschlafen zu lassen, damit sie kein zu schlimmes Bild bekam. (Das ist es nämlich.) Ohne Zweifel wird sie böse sein. Als ich heute morgen im Halbschlaf da lag, glaubte ich, die Stimmen meiner Eltern im Nebenzimmer zu hören. Keine Worte. Nur den Klang ihrer

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