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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß jede Wachperiode zur Entdeckung einer neuen Mixtur führen würde, so daß die Gebrauchsanweisung, wenn er seine Wache antrat, entsprechend angewachsen sein möge. Jarry und Sanza arbeiteten gewissenhaft daran und erfüllten seinen Wunsch mit einem Schneeblumenpunsch, der ihre Bäuche wärmte und ihr Schnurren in Kichern verwandelte, worauf sie auch das Lachen entdeckten. Sie feierten das Jahrtausend mit einer ganzen Bowle voll Punsch, und Sanza bestand darauf, die anderen Anlagen anzurufen und ihnen die Formel bekanntzugeben, und zwar sofort, so daß alle ihre Freude teilen konnten. Es ist durchaus möglich, daß dies alle taten, denn das Rezept fand großen Anklang. Und das Lachen behielten sie für immer, auch später, als jener Abend nur noch eine Erinnerung war. So nehmen Traditionen manchmal mit einfachen Strichen ihren Anfang.
    „Die grünen Vögel sterben“, sagte Sanza und legte einen Bericht beiseite, in dem sie gelesen hatte.
    „So?“ sagte Jarry.
    „Allem Anschein nach sind sie nicht zu weiterer Anpassung fähig“, meinte sie.
    „Schade“, sagte Jarry.
    „Mir scheint, seit unserer Ankunft sei erst ein Jahr vergangen. In Wirklichkeit sind es tausend.“
    „Die Zeit fliegt“, sagte Jarry.
    „Ich habe Angst“, sagte sie.
    „Wovor?“
    „Ich weiß nicht. Nur Angst.“
    „Warum?“
    „So zu leben, wie wir gelebt haben, denke ich. Kleine Stücke von uns in verschiedenen Jahrhunderten hinterlassen. Erst vor ein paar Monaten, wenigstens meiner Erinnerung nach, war dies hier eine Wüste. Jetzt ist es ein Eisfeld. Schluchten öffnen und schließen sich. Canons tauchen auf und verschwinden wieder. Flüsse trocknen ein und neue entspringen. Alles scheint so vergänglich. Die Dinge wirken massiv, aber ich fange an, Angst zu haben, sie anzufassen. Sie könnten verschwinden. Sie könnten sich in Rauch verwandeln, und dann würde meine Hand in den Rauch hineingreifen und … etwas … berühren … Gott vielleicht. Oder noch schlimmer – vielleicht nichts. Keiner weiß wirklich, wie es hier sein wird, wenn wir fertig sind. Wir reisen auf ein unbekanntes Land zu, und es ist zu spät, um umzukehren. Wir bewegen uns durch einen Traum, streben einer Idee zu … Manchmal vermisse ich meine Zelle … und all die kleinen Maschinen, die dort für mich gesorgt haben. Vielleicht kann ich mich nicht anpassen. Vielleicht bin ich wie der grüne Vogel …“
     
    „Nein, Sanza. Das bist du nicht. Wir sind wirklich. Gleichgültig, was dort draußen geschieht, wir werden es überdauern. Alles verändert sich, weil wir wollen, daß es sich ändert. Wir sind stärker als die Welt, und wir werden sie drücken und bemalen und Löcher in sie bohren, bis wir sie genau zu dem gemacht haben, was wir wollen.
    Und dann werden wir sie nehmen und sie mit Städten und Kindern bedecken. Willst du Gott sehen? Geh und schau in den Spiegel. Gott hat spitze Ohren und grüne Augen. Er ist mit weichem grauem Pelz bedeckt. Wenn Er Seine Hand hebt, hat Er Schwimmhäute zwischen seinen Fingern.“
    „Es ist gut, daß du stark bist, Jarry.“
    „Holen wir doch den Schlitten und machen eine Fahrt.“
    „In Ordnung.“
    Und sie fuhren den ganzen Tag lang durch Totenland, wo die dunklen Steine wie Wolken an einem anderen Himmel standen.
     
    Es waren zwölfhundertfünfzig Jahre.
    Jetzt konnten sie für kurze Zeit ohne Geräte atmen.
    Jetzt konnten sie für kurze Zeit die Temperatur ertragen.
    Jetzt waren die grünen Vögel tot.
    Jetzt fing eine seltsame, unangenehme Sache an.
    Die Zweibeiner kamen des Nachts, hinterließen Spuren im Schnee, ließen tote Tiere mitten in den Spuren liegen. Das geschah jetzt viel häufiger als in der Vergangenheit. Sie kamen von weit her, um es zu tun, und viele von ihnen trugen einen Pelz, der nicht ihr eigener war, auf den Schultern.
    Jarry suchte in den Geschichtsakten nach allen Berichten über diese Geschöpfe.
    „In diesem hier steht etwas von Lichtern im Wald“, sagte er. „Station Sieben.“
    „Was …?“
    „Feuer“, sagte er. „Was ist, wenn sie das Feuer entdeckt haben?“
    „Dann sind es in Wirklichkeit keine Tiere!“
    „Aber das waren sie.“
    „Sie tragen jetzt Kleider. Sie opfern unseren Maschinen irgend etwas. Sie sind keine Tiere mehr.“
    „Wie kann das geschehen sein?“
    „Was meinst du denn? Wir haben es getan. Vielleicht wären sie dumm geblieben – Tiere –, wenn wir nicht gekommen wären und sie gezwungen hätten, klüger zu werden, um

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