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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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den Schnee, und Lichter tanzten vor seinen Augen, und sein linker Arm und seine linke Schulter waren wie in Feuer gebadet.
    Ein zweiter Bär war aus dem steinernen Wald hervorgetreten.
    Er zog mit der rechten Hand sein langes Jagdmesser und richtete sich langsam auf.
    Als die Bestie ihn ansprang, bewegte er sich mit der katzenartigen Geschwindigkeit seiner Gattung, stieß nach oben und grub der Bestie das Messer bis zum Heft in den Hals.
    Ein Schauder durchzuckte sie, aber sie verpaßte ihm noch einen Schlag, und er stürzte wieder, das Messer wurde ihm entrissen.
    Die Rotforms warfen Steine und griffen die Bestie mit ihren spitzen Stöcken an.
    Dann war ein mächtiges Stampfen zu hören und dann ein zermalmendes Geräusch, und es hob sich in die Luft und kam auf ihn herunter.
    Er wachte auf. Er lag auf dem Rücken, und alles tat ihm weh, und alles, das er ansah, schien zu pulsieren, als wollte es jeden Augenblick zerspringen.
    Er wußte nicht, wieviel Zeit verstrichen war.
    Entweder er oder der Bär waren bewegt worden.
    Die kleinen Geschöpfe kauerten am Boden und beobachteten ihn.
    Einige beobachteten den Bären. Einige beobachteten ihn.
    Und einige den zerbrochenen Schlitten …
    Den zerbrochenen Schlitten …
    Er richtete sich mühsam auf.
    Die Rotforms zogen sich zurück.
    Er ging zum Schlitten und sah hinein.
    Als er sie sah, wußte er, daß sie tot war. Aber trotzdem tat er alles, was man tut, um sicher zu sein, ehe er es glauben wollte.
    Sie hatte den Todesschlag versetzt, hatte den Schlitten gegen die Bestie prallen lassen und ihr das Rückgrat gebrochen. Und das hatte auch den Schlitten zerbrochen. Und sie.
    Er lehnte sich gegen das Wrack, betete zum ersten Mal in seinem Leben und entfernte dann ihre Leiche.
    Die Rotforms sahen zu.
    Er hob sie auf seine Arme und begann zu gehen, auf die Station zu, quer durch Totenland.
    Die Rotforms beobachteten ihn weiterhin. Nur der eine nicht, mit der seltsam hohen Stirn, der statt dessen jenes Messer studierte, das aus der zottigen, dampfenden Kehle der Bestie hervorstach.
    Jarry fragte die aufgeweckten Direktoren von Dezember: „Was sollen wir tun?“
    „Sie ist die erste Angehörige unserer Rasse, die auf dieser Welt gestorben ist“, sagte Yan Turl, der Vizepräsident.
    „Es gibt keine Tradition“, sagte Selda Kein, der Schriftführer. „Sollen wir eine begründen?“
    „Ich weiß nicht“, sagte Jarry. „Ich weiß nicht, was angemessen wäre.“
    „Wir könnten sie begraben oder verbrennen. Was würdest du vorziehen?“
    „Gar nichts – nein, nicht in die Erde. Gib sie mir zurück. Gib mir einen großen Flieger … Ich werde sie verbrennen.“
    „Dann laß uns eine Kapelle bauen.“
    „Nein. Das ist etwas, das ich auf meine eigene Art tun muß. Ich würde es lieber allein tun.“
    „Wie du willst. Nimm dir die Geräte, die du brauchst, und bring es hinter dich.“
    „Bitte, schickt einen anderen in die Station von Totenland. Ich möchte wieder schlafen, wenn ich diese Sache hinter mir habe – bis zur nächsten Periode.“
    „Schon gut, Jarry. Es tut uns leid.“
    „Ja – uns allen tut es leid.“
    Jarry nickte, machte eine nichtssagende Handbewegung, drehte sich um und ging.
    So werden manchmal die dickeren Striche des Lebens gezogen.
     
    Am Südostrand von Totenland stand ein blauer Berg. Er war knapp über dreitausend Meter hoch. Wenn man sich ihm aus dem Nordwesten näherte, sah er aus wie eine gefrorene Welle in einer See, die so endlos weit ist, daß sie jede Vorstellung übersteigt. Purpurne Wolken zerrissen sich an seiner Spitze. Nichts Lebendes war an seinen Hängen zu finden. Der Berg hatte keinen Namen, nur den, den Jarry Dark ihm verlieh.
    Er verankerte den Flieger.
    Er trug die Leiche auf den höchsten Punkt, zu dem man eine Leiche tragen konnte.
    Dort setzte er sie ab, bekleidet mit ihren schönsten Kleidern, einem breiten Tuch um den Hals, damit man nicht sah, wo sie ihn gebrochen hatte, und einem dunklen Schleier über den leeren Zügen.
    Er wollte gerade ein Gebet versuchen, als der Hagel zu fallen begann. Wie Felsbrocken donnerten die blauen Eisstücke auf ihn und auf sie herunter.
    „Verdammt sollst du sein!“ rief er und rannte zum Flieger zurück.
    Er zog die Maschine hoch und kreiste.
    Ihre Kleider flatterten im Wind. Der Hagel war ein blauer Perlenvorhang, der sie beide von allem, außer jenen letzten Liebkosungen absperrte: Feuer, das von Eisbrocken zu Eisbrocken floß, Feuer aus den Rohren seiner Kanonen.
    Er betätigte

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