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Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Titel: Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonke Dragt
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weg; sie werden gewaschen und aufbewahrt. Herrn Avlas Schal besitze ich auch noch, ich habe ihn vorläufig in meinen Schrank gelegt. Wie mag es ihm wohl gehen? Ob er an mich denkt?
    Ich heiße Tim, und mein Familienname ist Davit, damit ich als Sohn von Herrn Davits Bruder gelten kann, der vor vielen Jahren nach Atlantis ausgewandert ist. Darum komme ich ebenfalls aus Atlantis; es liegt auf der anderen Seite der Großen See, die »Atlantischer Ozean« heißt. Vielleicht ist ein Körnchen Wahrheit in all diesen Dingen und ich bin tatsächlich mit einem Schiff übers Meer gekommen …
    Téja hat mir gezeigt, wo Atlantis liegt, auf einer Karte in einem großen Buch – in einem Atlas, in dem die ganze Welt aufgezeichnet ist. Ich entdeckte auch, wo England liegt – viel, viel näher –, aber man schreibt es nur mit einem »l« und ohne »e« in der Mitte und es wohnen auch keine Engel dort. Als ich danach fragte, fingen Téja und ihr Vater an zu lachen. Ich wurde ein wenig böse, und einen Augenblick lang verstanden wir einander nicht, aber dann haben wir es uns gegenseitig erklärt. Sie wissen auch, was Engel sind; aber sie wissen ebenso wenig wie ich, ob es sie gibt oder nicht. Ich nehme ihnen schon ab, was sie sagen, obwohl ich es komisch finde; sie haben ja ihr Gedächtnis noch. Jan Davit wurde auf einmal ernst und sagte, dass es durchaus möglich sei, dass ein zweites Engelland besteht – eins mit einem »e« hinter dem »g« und mit zwei »l«. Ob ich wohl wirklich aus Atlantis gekommen bin, über England?
    Sing, sing, was geschah?
    Keiner ward mehr gesehn …
    Zogen einst fünf junge Burschen
    Stolz und kühn zum Tor hinaus.
    Sing, sing, was geschah?
    Keiner kehrt nach Haus!
    Ich bin überrascht, denn plötzlich schreibe ich das Lied einfach so nieder. Herr Avla hat doch Recht: Ein Tagebuch hilft.
    Keiner kehrt nach Haus … Habe ich überhaupt ein Zuhause? Und heiße ich tatsächlich Tim? Ich weiß es nicht.
    Herr Davit sagt, dass ich mich nur noch eingewöhnen muss: »Die Welt ist neu für dich, und wir möchten dir helfen, dich zurechtzufinden.«
    »Du bist mein Vetter Tim Davit aus Atlantis«, sagt Téja. »Weißt du, dass ich wirklich einen Vetter in Atlantis habe? Sein Name gleicht deinem sogar ein bisschen. Ich habe ihn noch nie gesehen, und glücklicherweise hat er auch nicht vor, hierher zu kommen. Mein Vetter Tim. Wenn du dich hier so richtig zu Hause fühlst, darfst du mit mir zur Schule gehen.«
    Schule . Ich erinnere mich an das Wort, aber sonst an fast gar nichts. Nur eins weiß ich bestimmt: dass ich nicht gerne dorthin gehe.
    »In der Schule kann man so gut wie alles lernen«, sagt Téja, »und viele neue Dinge erfahren.«
    Das würde ich allerdings sehr gerne tun.
    Sie geht häufig zur Schule und es macht ihr Spaß. Wahrscheinlich würde ich es also auch schön finden. Auf jeden Fall macht es mir Freude, neben ihr zu sitzen und sie anzuschauen. Ich habe nun auch ein bestimmtes Alter: Ich bin genauso alt wie sie.
    Mittags
    Wir sind ein Stück spazieren gegangen – nicht durch die Dünen, sondern durch die sich windenden Straßen dieser eigentümlichen Stadt. Ich möchte mich hier zurechtfinden können. Es war schön draußen; die Sonne schien, und erst als wir wieder zu Hause waren, begann es zu regnen. Aber es macht auch Spaß, im Regen spazieren zu gehen, sagt Téja. Es regnet immer noch, aber mitten hindurch scheint die Sonne, und wenn ich mich ans Fenster stelle, sehe ich einen Regenbogen.
    Ich habe es sehr bedauert, dass der Hund heute Morgen nicht mitdurfte. Ich habe mit Téja darüber gesprochen, und sie versprach mir, dass ich gleich mit der anderen Téja ausgehen darf. Sie selbst kann nicht mitgehen, aber sie will mir nicht sagen, warum. Herr Davit sagt, dass sie zur Schule gehen will.
    In der Schule lernt man, liest man und schreibt man – aber Herr Davit möchte nicht, dass ich dieses Tagebuch schreibe. Das hat er nun schon ein paar Mal gesagt. Er hat es jedoch nicht verboten . (Eigentlich ist es hier verboten, etwas zu verbieten, sagt Téja.)
    »Warum soll ich denn nicht schreiben?«, fragte ich.
    »Es ist besser für dich, wenn du lebst – einfach in den Tag hineinlebst. Hier und heute. Weshalb musst du es außerdem noch aufschreiben?«
    »Um es nicht wieder zu vergessen.«
    »Unsinn. Alles, was der Mühe wert ist, vergisst man nicht.«
    »Das glaube ich nicht! Ich erkannte die Türme sofort, auch ohne Gedächtnis. Ich weiß, dass sie wichtig sind – auch wenn ich keine Ahnung

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