Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman
bugsierte. Er behauptet, es sei ein Versehen gewesen oder vielmehr ein misslungenes Experiment. (Ich würde es eher ein geglücktes Experiment nennen; aber er beteuert, er habe wirklich nicht erwartet, dass es tatsächlich geschehen würde.) Und nachdem er sie nun einmal nach X versetzt hatte (und sich selbst ebenfalls), konnte und wollte er sie nicht wieder zurückbringen; es fehlte ihm einfach der Mut dazu. Jetzt kann er das sowieso nicht mehr, weil ja inzwischen neue Hochhäuser gebaut worden sind.
Wenn es wirklich stimmt, was er erzählt hat, müssen die Wohntürme dort also noch stehen. Sie müssen da besonders auffallen, denn in X baut man die Häuser ganz anders als hier. Wenn ich dorthin komme und zwei Hochhäuser wie unsere hier sehe, dann ist das der Beweis dafür, dass es tatsächlich passiert ist.
Ich überlegte, ob in den Türmen wohl mittlerweile Menschen wohnen.
Ja, es gibt Menschen auf X; das war eine der ersten Fragen, die ich Herrn Alva stellte. X gleicht sehr stark unserer eigenen Welt, sagt er; sogar die Zeiteinteilung ist dieselbe. Die Leute in X sind genauso wie wir, aber in den Wohntürmen wohnt kein Mensch. Ich fragte, weshalb denn nicht.
»Sie mögen keine Hochhäuser.« – Das war alles, was Herr Alva dazu sagte. (Ich übrigens auch nicht; ich würde viel lieber in einem Haus mit Garten wohnen. Zum Glück haben wir die Dünen und die See ganz in der Nähe!)
Heute Nachmittag bin ich wieder bei ihm gewesen (jetzt machte er mir auf!) und ich habe ihm eine Menge Fragen gestellt. Er war jedoch sehr wortkarg; eigentlich sagte er überhaupt nichts.
Er wühlte sein Haar völlig durcheinander, machte den Mund auf und wieder zu und zum Schluss meinte er nur: »Frag mich bitte nicht mehr, Tom. Manchmal weiß ich nicht mal mehr mit Sicherheit, ob ich tatsächlich dort gewesen bin. Ab und zu denke ich, ich hätte es nur geträumt oder mir nur so ausgemalt.«
Das ist wirklich der Gipfel! Die Welten, die auf dem Axiom beruhen, sind keine Traum- oder Phantasiewelten. X (oder Imfea ) muss tatsächlich existieren; darum geht es doch überhaupt!
Ich versuchte, ihm das zu erklären. Ich stotterte ein bisschen dabei (was mir sonst fast nie mehr passiert), weil er mich so merkwürdig ansah. (Seine Augenbrauen sind sehr borstig!)
Dann sagte er: »Ich werde in Kürze wieder dorthin gehen, Tom, und ich werde alles aufschreiben, was ich sehe und erlebe. Wenn ich zurückkomme, werde ich es dir zu lesen geben, und dann musst du mir sagen, was du davon hältst.«
Mir ist es lieber, wenn ich es selber sehe und erlebe. Dies sagte ich ihm auch, und zwar nicht zum ersten Mal. Ich habe ihn schon ein paar Mal gefragt, ob ich mitgehen darf. Er weiß natürlich nicht, dass ich auf jeden Fall gehen werde – ob er das nun für richtig hält oder nicht. Er hält es nicht für richtig.
»Diesmal nicht«, sagte er. »Außerdem würde dir ein besonders schöner Urlaub verloren gehen. Ich hörte von deiner Mutter, dass du nach England fährst. In vier Jahren darfst du mit. Dann hast du dein Abitur hinter dir – jedenfalls wenn du nicht sitzen bleibst.«
(Blöd, darauf anzuspielen; Vater und Mutter haben ihm sicher von meinem Zwischenzeugnis erzählt.)
»Bis dahin bist du erwachsen«, sagte er, »oder jedenfalls kein Kind mehr. Vorher kannst du nicht mitgehen; das wäre zu gefährlich.«
Dies hörte ich zum ersten Mal! »Und warum?«
»Eine fremde Welt ist immer gefährlich, selbst wenn sie schön und gut ist. Du bist einfach noch zu jung.«
»Ich werde bald 15«, sagte ich, »am 22. März.«
»Sehr jung«, sagte er. »Du kennst ja noch nicht mal deine eigene Welt. Außerdem ist es gefährlich, das WORT auszusprechen.«
Jetzt höre ich aber auf; es ist schon spät.
IV. Das Wort
Samstag, 22. Februar 1964
Noch eine Woche!
Ich habe die Seiten gezählt, die ich schon geschrieben habe; mit der Zeichnung sind es schon 16. 28) Insgesamt sind in diesem Büchlein 240 Seiten; aber ich muss sparsam damit umgehen. Ich habe es nämlich gekauft, um es in X zu benutzen. Ich werde also nur noch das aufschreiben, um das es eigentlich geht: das WORT.
28) Diese Anzahl Seiten enthält auch das ursprüngliche Manuskript.
Worte haben Bedeutung und Klang.
Es gibt Worte, die mehr als nur eine Bedeutung haben. Einige Worte besitzen außer der allgemein bekannten auch noch eine geheime Bedeutung. Es gibt auch Worte, die praktisch überhaupt keinen Sinn haben, sondern nur einen Klang. Nein, das ist Quatsch! Denn jedes Wort bedeutet
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