Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman
geborgen sein.
Warum hatte der alte Mann mich nicht hereingeholt? Er hatte mich doch gesehen!
Ich stand vor der Türe und streckte schon meine Hand aus. Aber wer weiß, ob ich nicht gerade hier gefährdet sein würde … und so ließ ich meine Hand wieder fallen. Doch da öffnete sich plötzlich die Tür und vor mir stand der alte Mann mit dem weißen, wilden Haarschopf. Ich fiel vor Schreck beinahe in Ohnmacht, denn ich hatte doch gedacht, dass er mit den Leuten im Turm war.
(Gerade jetzt fällt mir etwas ein: Gibt es vielleicht mehrere Turmwächter? Einen im Turm und einen in der Hütte? Aber wo ist dann der zweite geblieben?)
»Was wollen Sie hier?«, fragte der alte Mann. Wahrscheinlich hatte er sich genauso erschreckt wie ich. Warum sollte er sonst »Sie« zu mir sagen?
Ich sagte: »Nichts«, und das stimmte sogar. Er sah mich an, strich sich mit der Hand über den Kopf, zupfte an seinen Haaren und sagte: »So, so.« Dann ging er wieder hinein und zog die Tür ganz leise hinter sich zu.
Die Tropfen wurden größer und fielen nun wie ein dichter Vorhang nieder. Und doch schien in der Ferne weiter die Sonne – aber auch ganz nah, direkt über den Dünen. Ich ging um die Hütte herum und blieb dann wieder unter einem Dachvorsprung stehen. Auf diese Art und Weise war ich zwar vor dem Regen geschützt, aber sonst fiel mir absolut nichts ein. Alles war nass und schimmernd grau; der vordere Turm wurde allmählich durchsichtig und der rückwärtige war in Nebel gehüllt. Endlich überlegte ich mir etwas: Ich würde so lange warten, bis die Türme ganz verschwunden wären. Aber vielleicht würde das sehr lange dauern …
Da klapperte und knarrte es plötzlich und dann stand der alte Mann neben mir. »Was tun Sie hier?«, erkundigte er sich noch einmal.
»Ich stelle mich vor dem Regen unter.«
Er räusperte sich und seufzte; er schaute mich beunruhigt an. »Möchten Sie die Türme besichtigen?«
»O nein, nein«, sagte ich und im selben Augenblick tat es mir schon wieder Leid. »Das heißt, eigentlich doch – aber nicht jetzt sofort …« Ich blickte wieder zu den Türmen hinüber. Nein, sie würden nicht verschwinden. Sie waren echt; es gab sie in Wirklichkeit, aus hartem Stein und Beton gebaut.
»Sieh mich mal an!«, sagte der alte Mann. Ich tat es und er fragte: »Wer bist du?«
Ich antwortete spontan: »Das weiß ich nicht.«
Da schrak er wirklich zusammen. Er packte mich am Arm, und ich fühlte, dass seine Hand zitterte. Er zog mich hinter sich her nach drinnen; und so gelangte ich in die Hütte, in der ich nun sitze und schreibe.
Es ist hier warm und gemütlich. An der Wand steht ein Bett, mit Decken beladen, und unten auf dem Boden liegt ein Schlafsack; es gibt noch einen Herd mit einer Pfanne darauf sowie allerhand andere Sachen: weitere Pfannen und Töpfe, eine tickende Uhr, einen Eimer, Tassen, eine Kiste, einen Tisch, zwei Stühle und eine Lampe. »Wer bist du?«, fragte der alte Mann noch einmal.
»Ich weiß es nicht!«, rief ich und fing an zu weinen.
Er sagte: »Komm, sei still«, und ließ mich auf seinem Bett niedersitzen. Er war sehr nett zu mir; er gab mir zu essen und zu trinken und frische Sachen zum Anziehen.
Dann hörten wir draußen Stimmen.
»Du hast dein Gedächtnis verloren«, flüsterte er. »Sag nichts, frag nichts und denk nicht nach, bevor ich zurück bin. Leg dich hin. Versuch zu schlafen.«
Er deckte mich zu und verließ die Hütte. Ich wollte eigentlich nicht schlafen, tat es dann aber doch. Erst durch den alten Mann wurde ich wieder wach. Er war in die Hütte zurückgekommen und kramte in der Kiste herum; er nahm Papiere heraus und Hefte und Notizbücher, die so aussahen wie meines. Er blickte kurz zu mir herüber und zwinkerte mir freundlich zu. »Schlaf ruhig weiter, mein Junge.« Dann setzte er sich an den Tisch und begann zu lesen; nach einer Weile machte er die Lampe an und las weiter. Ich lag da und beobachtete ihn; allmählich fühlte ich, dass mein Kopf wieder besser schaltete. Er hatte es wohl gemerkt, denn er legte seine Bücher und Papiere weg und sagte: »Steh nur auf – ich zeige dir, wo die Toilette ist und wo du dich waschen kannst. Ich werde uns inzwischen Abendessen machen. Weißt du noch immer nicht, wer du bist?«
Ich wusste es noch immer nicht. »Dann musst du mir gleich alles erzählen, was du sonst weißt«, sagte er.
»Wissen Sie denn nicht, wer ich bin?«, fragte ich.
»Nein – aber ich wäre froh, wenn ich es wüsste!«, sagte er. »Und
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