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Die Tunnel der Seele

Die Tunnel der Seele

Titel: Die Tunnel der Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Nicholson
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als zwei Kilometer von hier entfernt und niemand steckte seine Nase in diesen Teil der Wälder. Selbst wenn George seine Lungen weit genug aufpumpen könnte, um laut zu schreien, standen die Chancen ziemlich schlecht, dass sich jemand in Rufnähe befand. Die anderen Hausangestellten waren mit hoher Wahrscheinlichkeit damit beschäftigt, unter den wachsamen Augen von Miss Mamie, die keine Minute Pause erlaubte, die zuletzt angereiste Gruppe reicher Künstler zu versorgen und einzuquartieren. Und selbst wenn er es irgendwie bewerkstelligen würde, unter drei Tonnen Holz und Stahl und Glas hervorzukriechen, wäre er wahrscheinlich schon lange verblutet, bis er es zurück zum Pfad, geschweige denn zur Fuhrwerkstraße oder zum Herrenhaus geschafft hätte.
    Dennoch musste er sich erst einmal befreien. Danach würde er sich Gedanken um den Rest machen. Er schaute nach rechts, auf die Seite seines Körpers, an der ein Stück fehlte. Etwa vier Meter von ihm entfernt fiel ein mehr oder weniger intakter Teil des Dachs schräg von einem Punkt kurz über Hüfthöhe bis zum Fußboden hin ab. Die Trümmer über ihm wurden von nur einem einzigen, gebogenen Dachsparren gehalten.
    Wenn
der
nachgibt …
    »Dann heißt’s Sayonara, alter Kumpel«, sagte Old Leatherneck und kam erschrocken aus irgendeiner Ecke in Georges Gehirn zurück, wo er sich versteckt hatte. »Jetzt beweg endlich deinen Arsch.«
    An seiner Wange kratzte ein Kantholz, die Faserung schabte an seiner Haut. Wenn er das irgendwie manövrieren, vielleicht als Hebel verwenden könnte, schaffte er es möglicherweise, seinen linken Arm freizustemmen. Er bewegte den Arm und der Knochen seines Ellenbogens schlug auf den Holzfußboden. Sein rechter Arm musste eingeschlafen sein, denn jetzt erwachte er kribbelnd wieder zum Leben.
    Er verschob das Kantholz, und erhielt sofort die Retourkutsche. Sein Armstumpf explodierte in einem Feuerwerk aus Schmerzen. Die Schmerzen waren
orange
, die Art von Orange, die aus den Händen der menschlichen Fackel in den Fantastic Four-Comics schoss, die er als Kind immer gelesen hatte. Trotzdem bewegte er das Kantholz weiter, bis er es in der Beuge seines verletzten Arms ablegen konnte.
    »Siehst du, Georgie-Boy«, lobte ihn seine Ein-Mann-Befehlskette. »Zeig’s ihnen! Aber was wirst du als Drehpunkt für deine kleine, notdürftige Wippe verwenden?«
    Old Leatherneck hatte nicht ganz Unrecht, so schwer es George auch fiel, dies zuzugeben. Doch wenn er jetzt aufgab, war alles umsonst gewesen. Dass er Vietnam, Selma, den Schlaganfall und seinen Tritt auf die Mokassinschlange überlebt hatte. Wie viel leichter wäre es doch, einfach die Stollenschienen hinunter in die Dunkelheit zu gleiten. Nur als Experiment, weil er es wissen musste, schloss er die Augen.
    Er befand sich jetzt noch ein Stück tiefer in dem langen, dunklen Tunnel. Das Licht am Eingang schien nun ein bisschen schwächer und undeutlicher. Er nahm an Fahrt auf, glitt schnell und mühelos dahin, wie mit einem Schlitten auf festgetretenem Schnee. Die Luft wurde dünner und kühler, während er sich der letzten Kurve näherte.
    George entspannte sich, obwohl er zitterte und sein Blut dringend Sauerstoff benötigte. Das Herz in seiner Brust hämmerte wie ein Dachdecker, der einem Regensturm zuvorkommen wollte. Hier drinnen im Tunnel war es
okay
, die Hoffnung aufzugeben. Niemand hier würde ihm deswegen Vorwürfe machen. Er spürte, dass andere auf ihn warteten, um ihn willkommen zu heißen. Die, die schon vor ihm die Schienen hinuntergefahren waren. Die, die sich dort in den dunklen Schatten zusammengekauert hatten. Er fuhr um die Kurve, das war teuflisch einfach, machte sogar richtig
Spaß
. Und dann bohrte sich das sanft schlitternde Geräusch wie eine Spitzhacke in seinen Schädel.
    Was, wenn sich hinter der Kurve SCHLANGEN befinden?
    George öffnete die Augen und kämpfte sich zurück zum Eingang des Tunnels. Er nahm war, dass die Sonne noch immer stur irgendwo da oben am Himmel hing, und die unerlaubt abwesende Hand lag steif und bleich mit einem Armband aus Splittern und Schmutz ausgespreizt neben ihm. Er ging beinahe unter und wusste, dass nun der Schockzustand einsetzte.
    Damals in An Loc hatten ein paar der Landser herumgelungert und Bierdosen der Joseph Schlitz Brewing Company zerdrückt, während George Jones vom Plattenspieler erklang. Ein junger Sanitäter, der den Namen Haley trug, drückte einen Joint so groß wie ein Gewehrlauf aus und erklärte ihnen, warum der Schock

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