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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Rawolle
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Und mit gesenkten Blick, Unsicherheit ausdrückend, fügte er kaum hörbar hinzu: »Wobei ich zur Zeit ziemliche kompromissbereit wäre.«
    »Ach ja …? Das lässt ja hoffen!«
    Sich seiner zwiespältigen Situation bewusst werdend, gab Knut mit abfälliger Handbewegung zu verstehen: »Das ist doch alles Unsinn, nur dummes Zeug. Allenfalls eine altersbedingte Anwandlung, denn in unserem Alter stellt man sich nicht mehr so leicht um. – Oder könntest du das etwa?«
    Ernst überlegte einen Augenblick, bevor er in seiner ruhigen, sachlichen Art antwortete: »Warum eigentlich nicht. Der Mensch verändert sich sowieso öfters im Laufe des Lebens, warum also nicht auch in seiner Lebensauffassung?«
    »Weil das nicht so einfach ist«, widersprach Knut. »Überleg doch mal«, er tippte ihn mit dem Finger gegen die Brust, »meine momentane melancholische Stimmung, dürfte lediglich ein Resultat meiner langen Krankheit darstellen, und sonst nichts.
    »Wie du meinst«, schmunzelte Ernst. »Aber wahrscheinlich wäre ich auch alleine geblieben, wenn mir nicht zum rechten Zeitpunkt deine Schwester über den Weg gelaufen wäre. – Just zu der Zeit, als mein Onkel«, er berichtigte sich, »mein Vater, todkrank daniederlag. Diese plötzliche Gewissheit, da war nichts mehr zu machen, er würde sterben müssen, obwohl er eigentlich noch zu jung dafür war – diese schreckliche Unabänderlichkeit machte mich derart hilflos, dass ich fast daran verzweifelt wäre; wenn es da nicht ein so durch und durch liebenswertes Geschöpf wie deine Schwester gegeben hätte. Sie war es, die mir mit ihrer heiteren Unverdorbenheit, ihrem festen Glauben an die Güte und der reinen Menschlichkeit, das Leben wieder lebenswert machte.«
    »Die Jugend halt …«
    »O nein«, wehrte er hastig Knuts Einwand ab, »nicht allein der übergroßen Jugend, waren diese wohltuenden Eigenschaften zuzuschreiben, nein, wahrhaftig nicht. Denn Jugend und Schönheit ergibt noch keinen wertvollen Menschen. Sie aber war wertvoll. Schon weil sie eine erhebliche Portion Güte, Mut und Kraft in sich vereinte. Sicherlich, die jugendliche Unverdorbenheit, die unkomplizierte Leichtigkeit, die reine, überschwängliche Lust am Leben, gehört zweifellos zum Vorrecht der Jugend, doch die wahre Faszination ihres Wesens, lag in der absoluten Einheit von Körper und Seele begründet. Und das bis zum heutigen Tag.«
    »Erstaunlich, erstaunlich, wie man sich doch am Menschen irren kann«, erwiderte Knut mit spürbarer Skepsis. »Wenn ich nicht genau wüsste, dass wir von ein und derselben Person sprechen, würde ich …« Er lachte plötzlich. »Ach was, die Hauptsache ihr versteht euch – ich muss es ja nicht verstehen.« Und noch bevor Ernst etwas erwidern konnte, fragte er mit forschenden Blick: »Wie war eigentlich das Verhältnis zu deinem Onkel, pardon, Vater?«
    Die Antwort ließ einige Zeit auf sich warten, so, als ob es ihm schwerfalle darüber zu reden.
    »Wenn du nicht willst, musst du es mir nicht sagen.«
    »Nein, nein, das ist es nicht, mir wollen nur die rechten Worte nicht einfallen – auch so etwas was mir nie gelingen will; schon aus dem einen Grund, weil aus dem Onkel plötzlich ein Vater geworden ist. Auch wenn auf dem ersten Blick kein Unterschied zu erkennen ist; es gab ihn aber doch. Seine Vaterrolle war viel zu offensichtlich, als das es mir nicht zu denken gegeben hätte – nur darauf, dass er tatsächlich mein Vater sein könnte, darauf wäre ich niemals gekommen – dazu hielt ich ihn nicht für fähig.«
    »Demnach war deine Mutter also nicht geschieden?«
    »Nein. Wenigstens deutete aus den gefundenen Briefen und Aufzeichnungen meines Vaters nichts darauf hin. Trotzdem muss damals etwas ganz Entscheidendes vorgefallen sein, etwas, das mit ihren Verschwinden zutun haben muss – aber was? Ich weiß nur, dass die widersprüchlichsten Gerüchte im Umlauf waren. Möglicherweise war es der konsequenten Zurückgezogenheit und der absoluten Verschwiegenheit meines Onkels zu verdanken, die irgendwann die Neugier der Menschen verstummen ließ. Auch wenn ich in sehr jungen Jahren, die asketische Lebensweise mitunter zutiefst verachtete, merkte ich doch recht bald, dass gerade das einen wertvollen Schutz darstellte. Man ließ uns gewähren – das Interesse war somit erloschen.«
    Knut nickte und schwieg.

    »Schade«, flüsterte Knut mit schmalen Lippen, als er im Schlafanzug zum Fenster hinausschaute. Der ausgebeulte, tiefgraue Himmel, schien sich am Horizont mit

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