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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Rupps
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einzugehen. Zugleich bat er persönliche Freunde in Politik und Wirtschaft brieflich, ihren Einfluss in diesem Sinn bei der Bundesregierung geltend zu machen; Anmerkung des Verfassers.]
    Mich jedenfalls hat dieses Akzeptieren meines möglichen Todes in den Stand gesetzt, diese fünf Tage und fünf Nächte durchzuste 32 hen, ohne auch nur ein einziges Mal – (hier sehe ich wieder die verständnislosen, wenn nicht gar ungläubigen Blicke vieler meiner Zuhörer vor mir) –, ohne auch wirklich nur ein einziges Mal Angst zu haben oder gar in Panik zu verfallen. In einer Zuhörerrunde wurde mir vorgehalten, es sei doch unmöglich, daß ich keine Angst gehabt hätte; ich bildete mir das wohl im Rückblick bloß ein. Ich kann mir zwar vorstellen, daß man bei gewissen Situationen erst nachher erkennt, daß man Angst gehabt hat. Völlig undenkbar hingegen erscheint es mir, daß man eine ausgestandene Angst vergessen könnte.
     
    Es mag schwierig und für manchen unmöglich sein, zu erkennen, wie meine Entscheidung, mich mit meinem möglichen Tod abzufinden, mich für die ganze folgende Zeit verändert hat. Ich habe damit eine feste Basis gewonnen und vor mir eine undurchdringliche Schutzwand errichtet – wie eine Panzerplatte aus hochfestem Stahl –, hinter der ich mit meinem Ich und seinen Emotionen geborgen bin. Das gibt mir eine unvorstellbare Ruhe und Sicherheit. Kein Selbstmitleid, keine weiteren Betrachtungen über mich persönlich stören meinen Blick über die Schutzwand hinweg; ich kann völlig nüchtern die Situation von einem Ereignis zum andern klar erkennen, analysieren, emotionslos beurteilen und mich so auf die jeweils gegebene Sachlage einstellen. Auch jede Möglichkeit, mein Leben doch noch zu retten, kann ich in jeder Situation sachlich durchdenken, ohne meine Basis, die Akzeptierung meines möglichen Todes, aufzugeben. Es ist ein mir neuer, meinem bisherigen Gefühlsleben entrückter Zustand. Ich kann sogar diesen vier Menschen, von denen jeder bereit ist, mir den Tod zu bringen, ruhig ins Auge sehen.
    Zweites Ergebnis meines Nachdenkens: Aktivität ist zur Zeit ausgeschlossen; also Kräfte sammeln. Die für zwei Tage reichenden Herz- und Kreislaufdragees strecken, einfach statt je drei nur je eine pro Tag nehmen. Vor allem aber jede sich bietende Gelegenheit zu schlafen wahrnehmen. Ich lockere meine Muskeln (soweit 33 die enge Sitzweise das zuläßt), wende mein autogenes Einschlaftraining an und schlafe. Abgesehen von einer kurzen Unterbrechung durch Mahmud wurde ich erst vor der Landung in Rom durch im Bordlautsprecher verkündete Befehle geweckt. Geschlafen habe ich auch im folgenden immer wieder einmal, sofern nicht irgend etwas befohlen wurde oder der haßwahnsinnige Mahmud irgendeine seiner Eskapaden ritt. Bis auf einen Schwächeanfall aus Sauerstoffmangel (die Klimaanlage war zum zweiten Mal bei einer Außentemperatur von 50 Grad sieben Stunden lang ausgefallen) habe ich die Zeiten, in denen ich wach war, »fit« durchgestanden. Und wie gesagt, ich konnte denen, die Herr über unser aller Leben und Tod waren, ruhig ins Auge sehen.
    Der Junge war der ruhigste von allen vieren, ruhiger noch als die Dicke. Er war von stämmiger Gestalt, hatte ein rundes Gesicht mit großen dunklen Augen, die wesentlich seinen Gesamteindruck bestimmten. Ein Typ, der unter normalen Umständen gewiß die Blicke der Frauen auf sich zieht. Eigentlich war er auch – relativ betrachtet – der Sympathischste dieser vier.
    Meine Kommunikation mit ihm blieb im wesentlichen auf Augenkontakte beschränkt. Seltsam: Die wenigen Male körperlicher Berührung blieben sozusagen mehr an der Oberfläche, denn sie galten direkt der sachlichen Durchführung der ihm erteilten Befehle, sie fanden aus rein praktischen Gründen nicht Auge in Auge statt. Als er mich nach Waffen durchsuchte, mußte ich ihm mit erhobenen Händen den Rücken zukehren; auch die beiden anderen Male, als er mir mit Nylonstrümpfen die Hände auf dem Rücken fesselte, kehrte ich ihm situationsbedingt den Rücken zu. (Wir sollten ja bei Ablauf des Ultimatums – gefesselt in unseren Sitzen festgeschnallt – keine Möglichkeit haben, der Endlösung zu entgehen, die vorgesehen war, wenn es nicht zur geforderten Frei­lassung der Häftlinge käme.)
    Obwohl es drei Ultimaten gab, wurde ich nur zweimal gefesselt, denn das dritte Ultimatum bestand nur in der Verlängerung des zweiten um 30 Minuten. Es waren jene 30 Minuten, in denen der 34 Textilfußboden auf

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