Die Ueberlebenden von Mogadischu
auseinandergezogenen Mundwinkeln ihre Zahnreihen zeigen und dabei kurzzeitig ganz charmant aussehen; ich konnte mich aber nie des Eindrucks erwehren, daß dieser Charme gekünstelt war. Sie konnte auch schlagartig wieder ihr giftiges Gesicht aufsetzen, das dann voller Aggressivität, Haß und Hohn steckte. Das Kopftuch mit den kleinen Goldmünzen, das sie zeitweise trug, machte sie – jedenfalls in meinen Augen – keineswegs zu einem schönen Menschen.
Ich schließe nicht aus, daß mein Bild von ihr durch den abstoßenden Eindruck beeinflußt sein mag, den ihre ostentativ und triumphierend dargebotene hämische Freude während der »execution« von Flugkapitän Schumann in mir hervorrief. Als Jürgen Schumann, dessen Tod bereits beschlossene Sache war, im Heck der Maschine erschien, mußte er zu dem von Mahmud angekündigten Revolutionstribunal mit erhobenen Händen durch die ganze Länge der Maschine nach vorn gehen und – immer mit erhobenen Händen – neben der zweiten Sitzreihe niederknien. Die Kleine, die offenbar extra für dieses Schauspiel aus ihrer Schlafrunde geweckt worden war, verfolgte mit hämisch höhnischer Freude feixend den Gang des Kapitäns nach vorn. Sie stieß die Dicke an, als wollte sie sie zu ebenso hämischem Gehabe aufsta 39 cheln. Aber die Dicke behielt den ruhigen Ausdruck ihrer großen Augen und ging nicht auf die Absicht der Kleinen ein, die dann während des Ablaufs dieses Revolutionstribunals immer wieder in einen großen roten Apfel biß und das »Verhör« mit hämischen Gebärden begleitete. Als Mahmud dem Kapitän Schumann, der eben eine wieder an ihn gebrüllte Frage beantworten wollte, beim zweiten Wort mit seiner 9 -mm-Pistole mitten ins Gesicht geschossen hatte und Schumanns Körper dumpf auf dem Boden aufschlug, zündete sie sich eine Zigarette an, stieg – den Pappkarton mit Zigaretten in der Hand – über den toten Schumann hinweg und bot den Geiseln Zigaretten aus dem Karton an. Kann ein solcher Mensch eigentlich schön oder charmant sein? Jene Geiseln, die sie hinterher bei Befragungen als Schönheit bezeichneten, müssen wohl weit hinten gesessen haben.
Der Augenkontakt zwischen uns ging immer von seiner Seite aus. Noch am Anfang hatte ich mir von der hinter meiner Sitzlehne stehenden Stewardeß Gabriele Dillmann eines der kleinen Kopfkissen geben lassen, das mir in der folgenden Zeit gute Dienste geleistet hat. Nach meinen grundsätzlichen Überlegungen war ich (hinter meiner Schutzwand) ja auch zu dem Entschluß gekommen, zu schlafen, wann immer sich Zeit und Gelegenheit dazu ergeben sollte. Ich klappte das Eßtischchen aus der Lehne vor mir herunter, legte meine Arme und das Kissen darauf, um eine Auflage für meinen Kopf zu haben. Ich hatte – den Kopf nach links gewendet – schon eine Weile geschlafen, als ich das Gefühl hatte, scharf angeschaut zu werden. Ich wurde wach und gewahrte, daß Mahmud im Mittelgang neben meiner Sitzreihe stand und mich mit seinen stechenden Fanatikeraugen mißtrauisch ansah.
Ich vermute den Grund seines Mißtrauens darin, daß er – von der Trennwand aus die ganze Länge der Touristenklasse überblickend – einzig am rechten Fensterplatz der letzten Reihe keinen Kopf sah, obwohl er wußte, daß die letzten Reihen voll besetzt waren. Da mag er sich wohl – Konspiration vermutend – entschlossen haben, der Sache selbst nachzugehen, denn der Junge 40 (der ihn möglicherweise erst darauf hingewiesen haben mochte) durfte seinen Standort ja nicht verlassen. Ich sah Mahmud eine Weile an, und da er nichts sagte, legte ich mich wieder auf mein Kissen. Wie ich wenig später bemerkte, stand er dann noch eine Zeitlang hinter meiner Sitzlehne, offenbar immer noch etwas Verdächtiges vermutend. Ich wandte mich kurz um und ging dann wieder in Schlafstellung. Bis Rom blieb ich ungestört.
Der Augenkontakt anläßlich der Kontrolle meiner Fesselspuren war ebenso kurz wie beim letzten Ultimatum, als er eigenhändig meinen Sitzgurt noch fester zurrte. In der euphorischen Schlußphase, als er an den Austausch der Gefangenen, also an die Erreichung seines Zieles glaubte, mußte jede Geisel ihre Heimatanschrift auf einen Zettel schreiben, den er vorher allen ausgehändigt hatte. Er hatte noch einmal eine – nunmehr fast harmlos anmutende – Zornesaufwallung, als er bei einem Schreibenden einen Montblanc-Kuli entdeckte, dessen Firmenzeichen er als Judenstern bezeichnete. Obwohl er diesmal auf das Zertrampeln des Kulis
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