Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Rupps
Vom Netzwerk:
Leben seines Kopiloten ein. Im einen Fall hatte Jürgen Vietor die in Stammheim einsitzenden »Genossen« von Mahmud als Terroristen bezeichnet; im anderen Fall hatte Mahmud das Markenemblem von Jürgen Vietors Uhr, einer »Junghans«, als Judenstern missdeutet und daraus geschlossen, dass der Kopilot Jude sei.

    Abb.   12 (vorherige Seite) : Das Flight Log (Logbuch) des entführten Fluges, ausgefüllt von Kopilot Jürgen Vietor. Es gibt die Namen der Crew, die Orte und Zeiten von Starts und Landungen sowie die Tankvorgänge wieder. Die letzte Etappe von Aden nach Mogadischu passte nicht mehr in die dafür vorgesehenen Kästchen. 260 - 261

    Jürgen Vietor erinnert sich in dem persönlichen Bericht weiter, Jürgen Schumann habe sich ebenso mehrfach für die zur Erschießung eingeteilten Passagiere eingesetzt.
    Für Jürgen Vietor war und bleibt Jürgen Schumann ein Mann ohne Fehl und Tadel. Jürgen Vietor sagt aber auch, er persönlich hätte die Entscheidung über eine Herausgabe von Informationen anders getroffen. Mit der – aus Sicht von Jürgen Vietor – falschen Entscheidung, Informationen zu schmuggeln, beginnt für Jürgen Schumann das tödliche Verhängnis. Jürgen Vietor akzeptiert, dass der Kapitän auf seiner Handlungsvollmacht bestand, aber klug findet er es nicht, denn Mahmuds zunehmende Frustration machte die Situation immer unberechenbarer.
     
    Mahmud musste irgendwann zeigen, dass er Herr des Verfahrens ist.
    Ja, man muss sich auch einmal in seine Lage versetzen. Es lief für ihn und die anderen Entführer von Anfang an nicht gut. Vielleicht hat er ja gehofft, dass bereits in Rom ausgetauscht wird und die Sache rasch vorbei ist. Dann kamen die Landeverweigerungen in Damaskus und Beirut, also bei angeblichen Freunden der palästinensischen Sache, in Bagdad und Kuwait. Wir landeten in Bahrain, wo wir nach kurzer Zeit wieder wegmussten. Danach ging es nach Dubai, wo die Ground Power ausfiel. In Aden sind wir gegen den Willen der Regierung gelandet, neben Panzern und bewaffneten Soldaten! Dabei war das Regime prosowjetisch und mutmaßlich für die palästinensische Sache eingestellt! Alles das hat Mahmud zugesetzt. Ich glaube, er wollte wieder Herr des Verfahrens sein, vor sich selbst und vor seinen Leuten. Die Geschichte mit der Abwesenheit von Kapitän Schumann kam ihm dabei gerade recht.
    (Jürgen Vietor, 2011 )
    264 Der zweite Loyalitätskonflikt, den Jürgen Vietor erlebt, ist der Konflikt mit seinem Arbeitgeber. Wie beschrieben, legt sich Lufthansa-Vorstandsmitglied Werner Utter nach der Rückkehr der Geiseln eine Erklärung zurecht, wie es zur Erschießung von Jürgen Schumann gekommen ist, und beruft sich dabei auf Jürgen Vietor als Quelle. Demnach hat Jürgen Schumann nach einer Inspektion des beschädigten Fahrwerks in Aden einen Weiterflug verweigert. So war es aber nicht. Jürgen Vietor weiß zwar nicht, was genau in Aden passiert ist, aber diese Version der Geschichte, das weiß er, ist falsch. Doch Jürgen Vietor kann und will seinem zweithöchsten Chef nicht widersprechen, schon gar nicht öffentlich.
    Er kann und will auch seinen Vorgesetzten Martin Gaebel und Werner Heldt nicht widersprechen, als sie ihn am Tag nach seiner Rückkehr aus Mogadischu für das große Stern -Gespräch mit Gerd Heidemann ködern und zugleich nötigen. Er sieht sich in einer selbstverständlichen Loyalität zur Deutschen Lufthansa. Im Stern -Gespräch wird er natürlich nicht sagen, dass Jürgen Schumann den Regeln des Lehrfilms Verhalten bei Flugzeugentführungen zuwidergehandelt hat.
    Die Loyalität von Jürgen Vietor zu Jürgen Schumann und zur Deutschen Lufthansa wird auf noch härtere Proben gestellt, bis in die Gegenwart. Schon bei der Trauerfeier für Jürgen Schumann am Mittwoch, 19.   Oktober, in Babenhausen sagt ihm jemand, den Jürgen Vietor nicht kennt, ins Gesicht: »Es wäre besser gewesen, Sie wären erschossen worden.« Jürgen Vietor dazu: »Eine Beleidigung, die ich nie vergessen habe.«
    Seither und bis heute sieht sich Jürgen Vietor immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, sein Verhalten während der Entführungstage habe zum Tod von Jürgen Schumann beigetragen. Besonders oft musste und muss er erklären, weshalb er vor der Notlandung in Aden eine zusätzliche Schleife geflogen ist, damit Mahmud angegurtet werden konnte. Darüber heißt es in Jürgen Vietors persönlichen Aufzeichnungen:
    »Kapitän Schumann und ich waren uns bewusst, dass die Not 265 landung in Aden neben der

Weitere Kostenlose Bücher