Die Ueberlebenden von Mogadischu
deutsche Pilot erschossen worden sei.
Werner Utter nennt den Korrespondenten nicht als Quelle, vielleicht hat sich die Quelle auch in der Kommunikation zwischen Bundesregierung und Deutscher Lufthansa verloren. Zwar ist die Information unsicher, und auch Werner Utter kann persönlich nur Vermutungen anstellen, doch diese Darstellung erscheint ihm schlüssig: Jürgen Schumann – so lautet Utters freilich nicht belegte Botschaft – wollte zum Wohl der Geiseln handeln und musste dafür sein Leben lassen.
Freilich geht Werner Utter mit dieser Darstellung nicht so weit wie einige Mitglieder des Bonner Krisenstabes, die Jürgen Schumann und Jürgen Vietor den gezielten Versuch unterstellen, die Entführung durch eine kaputte Maschine zu beenden. Demnach wollten sie neben der Landebahn aufsetzen, um die Räder der »Landshut« tief in den Sand zu bohren und nicht mehr vom Fleck zu kommen.
Werner Utter sucht den Verdacht eines gefährlichen Manövers zu zerstreuen. »Der Pilot hatte angesichts der blockierten Landebahn nur die Wahl zwischen einer Landung auf dem Wasser oder im Sand«, sagt er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von Bundesregierung und Lufthansa am Mittwoch, den 19. Oktober 1977 .
Die 255 Darstellung vom gezielten Sabotageakt wirkt auch deshalb wenig glaubwürdig, weil nicht Jürgen Schumann, sondern Jürgen Vietor das Flugzeug in Aden gelandet hat. Es wurde ja nicht Jürgen Vietor, sondern Kapitän Schumann erschossen.
Die nach Frankfurt zurückgekehrten Geiseln erzählen eine weitere Version der Geschichte. »Er ist abgehauen«, sagt eine Frau im Bus, der sie vom Flugfeld zur Lufthansa-Halle bringt, vor den Fernsehkameras. Sie sagt es im Brustton der Überzeugung. Sie hat sich die Darstellung von Mahmud zu eigen gemacht. Allerdings ist sie keine glaubhafte Zeugin, denn sie sagt es in einer Situation, in der sie von den Erlebnissen der letzten Tage traumatisiert ist. Überhaupt sind die Frauen und Männer im Passagierraum der »Landshut« keine zuverlässigen Zeugen, denn sie haben das Geschehen an der vorderen Tür, wo Jürgen Schumann ausgestiegen ist, nicht selbst erlebt.
In der Pressekonferenz gibt Werner Utter eine ausführliche Darstellung über die Vorgänge in Aden und nennt als Quelle die Information des Kopiloten, »der die ganze Sache mitgemacht hat«. Werner Utter sagt über das Verhalten von Jürgen Schumann wörtlich: »Er hat von den Terroristen die Erlaubnis bekommen, aus der Kanzel herauszugehen und das Fahrwerk zu inspizieren. Angesichts der Haltung der Jemeniten ist er auf sie zugegangen mit der Forderung, er müsse eine Autorität sprechen, die hier was zu sagen habe, um zu erreichen, dass das Flugzeug nicht mehr zum Start gezwungen werden kann.« Auf die per Megafon aus dem Flugzeug gegebene Anweisung, zurückzukommen, ist Jürgen Schumann »in Begleitung eines oder mehrerer Jemeniten« wieder zur Maschine zurückgekehrt.
Für die Bundesregierung sagt Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski in der Pressekonferenz, Jürgen Schumann habe sich »aus unserer Sicht geradezu hervorragend und vorbildlich verhalten. Wir haben insbesondere in Dubai seine Bemühungen Stunde für Stunde miterlebt, erstens uns zu informieren und zweitens sich so zu verhalten, dass auf diese Art und Weise den Geiseln geholfen wurde.«
256 Was die dem Tod von Jürgen Schumann vorausgehenden Ereignisse angeht, glaubt auch Hans-Jürgen Wischnewski, der Kapitän habe den Weiterflug der »Landshut« verhindern wollen. »Daher kann ich nur die Mutmaßungen unterstreichen, die Herr Utter über seine Motive gemacht hat.«
Die Medien begnügen sich nicht mit der Erklärung von Werner Utter, dass Jürgen Schumann den Start der »Landshut« in Aden verweigert habe und dafür sterben musste. Die Journalistin Rosvita Krausz stellt ein Jahr nach dem Ereignis die These auf, es sei nicht bewiesen, aber auch nicht völlig von der Hand zu weisen, dass Jürgen Schumann die chaotischen Verhältnisse an Bord forciert habe, um der Gewalt der Terroristen eine Gewalt der Verhältnisse an Bord entgegenzusetzen – mit dem Ziel, dass die Entführer aus Erschöpfung und Resignation aufgeben. Jürgen Schumann soll zum Beispiel in Dubai, nachdem der Strom verbraucht war, die Maschine in völliger Dunkelheit belassen haben, obwohl angeblich noch einige Notleuchten intakt gewesen waren.
Journalistinnen und Journalisten wie Rosvita Krausz fragen die befreiten Geiseln nach dem Verhalten von Kapitän Schumann in der entführten
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