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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Rupps
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Bahn ein hohes, möglicherweise tödliches Risiko beinhaltete [. . . ]. Kapitän Schumann und ich haben uns die Hand gegeben, um uns voneinander und von diesem Leben zu verabschieden. Kapitän Schumann gab auch Mahmud die Hand, ich ebenfalls. In diesem Moment sah ich, dass Mahmud nicht angeschnallt war. In geringer Höhe habe ich das Flugzeug in eine Kurve gelegt, Gas gegeben und einen Vollkreis geflogen. Wir haben nun gemeinsam versucht, Mahmud die Gurte anzulegen, was kaum gelang [. . . ]. Schließlich hatten wir ihn dann doch noch verzurrt.«
     
    Sie sind, um für Mahmud Zeit zu gewinnen, noch einmal eine Schleife geflogen ...
    ... einen Vollkreis, ja, das hätte Jürgen vielleicht nicht mehr gemacht. Jürgen war ein Starfighter-Pilot, er war auf außergewöhnliche Situationen in großer Höhe trainiert. Ich habe bei der Bundeswehr die U-Boot-Überwachung gelernt, ich war im Tieffliegen geschult. Ich habe mich deshalb vor der Landung in Aden für einen Vollkreis in geringer Höhe entschieden. Hinterher wurde ich dafür kritisiert. Bis heute versuche ich zu erklären, dass ich keine andere Wahl hatte und dass, was die fliegerische Seite angeht, die schlimmste Phase der Entführung erst noch kommen sollte.
    (Jürgen Vietor, 2011 )
    Weshalb diese Hilfsmaßnahme, die Mahmud mutmaßlich das Leben rettet? »Der nicht angeschnallte Mahmud wäre bei der abrupten Bremsverzögerung der Landung im Sand nach vorn auf die Gashebel geschleudert worden und hätte diese zum vorderen Anschlag (entspricht Vollgas mit 50 000 PS ) geschoben«, so Jürgen Vietor. »Er hätte sie mit seinem Körper, für mich unerreichbar, blockiert.« Die Kontrolle über die Maschine wäre verloren gewesen.
    Im Jahr 2007 , dreißig Jahre nach der »Landshut«-Entführung, glaubt jemand, die Wahrheit über die Umstände, die zum Tod von Jürgen Schumann geführt haben, zu kennen: Maurice Philip Remy, 266 Filmemacher und Autor einer neuen Dokumentation über die »Landshut«-Entführung. In dieser Dokumentation kommt ein angeblich Verantwortlicher, am Tag als die entführte Maschine auf dem Flughafen der südjemenitischen Hauptstadt Aden stand, zu Wort. »Angeblich« deshalb, weil die Rolle dieser Person in den Kreisen von Flughafenpersonal, Polizei, Militär und Regierung des Landes nicht eingeordnet wird. Der Autor liefert auch keine Belege mit, die das unvermutete Auftauchen dieses Zeugen erläutern könnten (etwa ein Foto des Mannes im Tower des Flughafens an diesem Tag). Luftwaffengeneral Scheich Ahmed Mansur kommandierte Remy zufolge die Sondereinheit, die einen Ring um die »Landshut« bildete. In der Dokumentation schildert er sein Gespräch mit Jürgen Schumann wie folgt.
    »Er sagte, er sei der Kapitän des entführten Flugzeugs. ›Trotz großer Gefahr bist du gut gelandet‹, sagte ich. ›Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, über so etwas zu reden‹, antwortete er. Dann fragte ich ihn, was ich für ihn tun könnte. Er forderte uns auf, die Bedingungen der Entführer zu erfüllen. Ich sagte ihm: ›Ich kann alles andere für dich tun. Aber dass die Passagiere die Maschine verlassen und die Entführer vom jemenitischen Boden aus Verhandlungen führen, ist unmöglich.‹ Als er merkte, dass ich keine Möglichkeit hatte, seine Forderungen zu erfüllen, erhob er sich und sagte: ›Ich muss jetzt zum Flugzeug zurückgehen. Ich weiß, dass sie mich umbringen werden. Ich bedaure, dass Sie mir nicht helfen können, aber ich musste es versuchen.‹«
    Nicht nur, dass das Auftreten dieses Luftwaffengenerals ohne historische Einordnung bleibt, auch der von ihm wiedergegebene Gesprächsinhalt wirft mehr Fragen auf, als er Antworten gibt. Wie sollte Kapitän Schumann hoffen, dass die Jemeniten die Entführung eines deutschen Passagierflugzeugs beenden, und zwar nicht im Sinne der Entführer, sondern im Sinne der Geiseln? Wie soll man sich das vorstellen? Und weshalb riskierte er für die allenfalls kleine Hoffnung, die er mit dem Gespräch verbinden konnte, seinen eigenen Tod? Abgesehen davon, läge die Verantwortung eines 267 Kapitäns doch auch darin, dass er für seine Passagiere am Leben bleibt.
    Diesen Ungereimtheiten zum Trotz machen sich Journalistinnen und Journalisten renommierter Redaktionen die Darstellung von Maurice Philip Remy zu eigen. Michael Hanfeld würdigt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Philip Remy, »dem wir zu verdanken haben, dass dreißig Jahre nach dem Geschehen endlich eine Frage beantwortet wird, die offenblieb [. . . ].«

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