Die Ueberlebenden von Mogadischu
Maschine. Bis auf einzelne Ausnahmen fallen alle Aussagen rundherum positiv aus.
Dietrich Filius, eine frühere Geisel, kritisiert 1978 in der Radiosendung Fünf Tage im Oktober von Rosvita Krausz an Jürgen Schumann eine »Lässigkeit«, die er als »aufreizend« empfunden hat. »Ich sagte: [. . . ] Seine Lässigkeit bringt eine gewisse Gefühlskälte zum Ausdruck. [. . . ] In entscheidenden Situationen war er nicht ansprechbar. Dann prallte das ab [. . . ]. Einfach fast ein Technokrat. Auch der Wortschatz war sehr beschränkt, fast einfältig. Auf der anderen Seite habe ich mich gefragt: Und wenn du an dessen Stelle wärst, wärst du so souverän? Diese Frage habe ich mit einem glatten Nein beantwortet.«
Gabriele von Lutzau dagegen sagt in derselben Radiosendung über ihn, »er hat sich ständig Gedanken gemacht. Er war ständig konzentriert, einen Ausweg zu finden. Ich kannte ihn, weil ich schon 257 mal mit ihm geflogen bin. Und wenn man ihn kannte, kann man keine andere Meinung haben als meine, aber wenn man ihn nicht kannte, kann man seine Konzentration schon als Arroganz auslegen, ist möglich.« Es sei dazugekommen, dass »der arme Mann einen Bandscheibenschaden hatte und sich fürchterlich zusammenreißen musste, weil er ständig Schmerzen hatte. Er hat sich wahnsinnig zusammenreißen müssen. Er hat ständig seine Schmerzen überspielen müssen. Er war wahnsinnig tapfer in meinen Augen.«
Die frühere Geisel Matthias Rath nimmt nach seiner Rückkehr sogar Kontakt mit Monika Schumann auf, um ihr das umsichtige, verantwortungsvolle Verhalten ihres Mannes zu schildern.
Es gibt keine Hinweise darauf, dass Jürgen Schumann in Aden abhauen wollte, aber auch sein mutmaßlich umsichtiges Verhalten in Aden bleibt ohne Beleg. Monika Schumann und ihre Kinder müssen zwar nicht mit dem unterschwelligen Verdacht leben, ihr Mann und Vater sei abgehauen, aber sie haben auch keine Gewissheit darüber, dass ihr Mann für seine Courage gestorben ist.
Monika Schumann trägt an der Ungewissheit über die Umstände, die zum Tod von Jürgen Schumann führten, schwer. Gleich nach der Rückkehr der Geiseln aus Mogadischu bittet sie die Bundesregierung, in Aden Nachforschungen anzustellen. Vielleicht kann der »politische Kanal« Licht auf die letzte Lebensstunde von Jürgen Schumann werfen? Die Bundesregierung bemüht sich über ihren Botschafter im Südjemen darum, doch ohne Erfolg. Aus einer Notiz im Lufthansa-Archiv geht hervor, dass die mehrwöchige Recherche kein greifbares Ergebnis gebracht habe.
Monika Schumann führt außerdem viele Gespräche mit Betroffenen, sie spricht mit Jürgen Vietor und einigen Geiseln. Mit mehreren von ihnen verbindet sie bis heute eine persönliche Freundschaft. Bei diesen Begegnungen mit Frauen und Männern, die an Bord der entführten »Landshut« waren, stellen sich allerdings auch Kränkungen ein. Monika Schumann besucht im Jahr nach »Mogadischu« ein Wiedersehensfest der Geiseln, wo sie sich, wie 2008 in einem Stern- Artikel von Alexander Kühn nachzulesen ist, 258 von einem der Überlebenden sagen lassen muss, er empfinde kein Mitleid mit dem Kapitän: Ein Pilot wisse um das Risiko seines Berufs, dafür werde er entlohnt.
Von Anfang an schildert Monika Schumann ihre Sicht der Dinge. »Nein! Mein Mann wollte nicht fliehen!«, zitiert die Hörzu die Witwe in einem Artikel, der auf die Ausstrahlung der ZDF -Dokumentation Zwischen Palma und Mogadischu im Frühjahr 1978 hinweist. »Minutiös rekonstruiert sie die Ereignisse«, heißt es darin über die Witwe des ermordeten Kapitäns. »Sprach mit Geiseln, forschte beim Bundeskriminalamt, befragte Staatsminister Wischnewski [. . . ].« Sie wolle erfahren, »wie die letzten Minuten meines Mannes wirklich waren«. Monika Schumann beklagt, dass der »Fall Mogadischu« bei den offiziellen Stellen längst abgeschlossen sei, obwohl die Regierung von Aden bis heute keinen Untersuchungsbericht darüber geschickt habe, »was dort tatsächlich passiert ist«. Das sei sie ihrem Mann und ihren Söhnen schuldig, wird sie in dem Artikel zitiert. Sie könne kein neues Leben anfangen, solange das nicht geklärt sei.
Die Hörzu gibt ein Gespräch zwischen Monika Schumann und Hannelore Piegler wieder, zwischen der Witwe des ermordeten Kapitäns und der Chefstewardess in der entführten »Landshut«. Hannelore Piegler hatte die hintere Flugzeugtür geöffnet, durch die Jürgen Schumann nach seinem Verschwinden wieder in die Maschine stieg. »Er sah
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