Die Ueberlebenden von Mogadischu
Persönlichkeit des Mannes wirkt verändert, er selbst und seine Umgebung kommen damit nicht klar. Am Beginn der Heilung steht das Eingeständnis einer Krankheit.
Verwundete Seelen , ein Dokumentarfilm von Konstanze Burkard aus dem Jahr 2011 , macht eindrücklich, wie wenig Fiktion und wie viel Wirklichkeit in dem Stoff von Willkommen zuhause steckt. In ihrem Film begleitet sie zwei Soldaten und deren Angehörige, die mit den Folgen von Auslandseinsätzen in Afghanistan fertig werden müssen. Der eine hat seine Freude verloren, der andere ist nach seiner Rückkehr voller Aggressivität. Auch für ihre Angehörigen beginnt eine Leidenszeit.
»Mogadischu« ist lange her. Es liegt jetzt 35 Jahre zurück, ruft aber viele lebendige Erinnerungen wach. Immer wieder drängen sich Vergleiche mit der Gegenwart auf: Wie viel oder wie wenig hat sich seit damals verändert? Immerhin hat die derzeit bevölke 305 rungsstärkste Gruppe in der Bundesrepublik Deutschland, die sogenannten Babyboomer der Jahrgänge 1959 bis 1964 , das Ereignis schon bewusst miterlebt.
Wäre unser Land heute für eine traumatische Erfahrung wie die »Landshut«-Entführung von 1977 »gerüstet«? Wie würden Politik, Ärzte, Behörden und Medien reagieren?
Anders als Ende der siebziger Jahre kann und müsste es heute ein Bewusstsein dafür geben, dass der Staat für die Linderung dieser Traumata unmittelbar verantwortlich ist. Anders als bei den »Landshut«-Geiselopfern dürfte sich die Regierung nicht mehr aus der Verantwortung stehlen und die Bearbeitung der »Fälle« regionalen Versorgungsämtern überlassen. Sie hätte sich der Hilfe der Opfer unmittelbar anzunehmen.
Den Geiselopfern aus der »Landshut« nützen alle heutigen Erkenntnisse und Errungenschaften nichts mehr. »Damals musste es einfach weitergehen«, erinnert sich Gabriele von Lutzau an die schwierigen Wochen und Monate nach der Befreiung, als es keine Hilfe von außen gab, zurück. »Man darf nicht darauf hoffen«, zog sie für sich den Schluss, »dass jemand anderer einem hilft. Man muss sich selbst helfen, und man muss hoffen, dass einem die Kraft dazu gegeben wird.«
Bei einigen sind die körperlichen und seelischen Narben, die ihnen mit der »Landshut«-Entführung zugefügt wurden, weitgehend verwachsen. Beate Keller erinnert sich gern an den Augenblick, als sie nach über 25 Jahren erstmals wieder vor dem Gebäude der ehemaligen Diskothek »Graf Zeppelin« stand, in der sie einmal einen Schönheitswettbewerb und, damit verbunden, eine Flugreise im Oktober 1977 nach Mallorca gewonnen hatte. Die Werbetafeln von früher waren längst weg, »aber ich konnte noch genau erkennen, wo die Buchstaben des Schriftzuges ›Graf Zeppelin‹ gestanden haben«. Sie habe vor dem Gebäude innegehalten und gedacht: »Mein Gott, was bist du hier früher, als du Urlaub hattest, rein- und rausgegangen!« Den Gedanken daran fand sie »irgendwie toll«.
306 Beate Keller sieht die Bilder von damals heute in einem guten Licht. »Man ist nicht nur heil herausgekommen, es sind danach neue Freundschaften entstanden. Natürlich, das waren fünf schlimme Tage, aber wenn man überlegt, was danach gekommen ist, kann man dieses Ereignis nach so vielen Jahren eigentlich nur positiv bewerten.«
Für mich gibt es zumindest einen scheinbaren Widerspruch. Einerseits sagen Sie, Sie haben Ihre Entführung ganz gut weggesteckt, wenn wir Ihre Reaktion auf arabische Musik einmal ausklammern, andererseits machen Sie noch mit anderen »Landshut«-Geiseln Urlaub an einem Ort, von dem aus die schlimmste Zeit Ihres Lebens ihren Lauf nahm. Ich habe den Eindruck, Sie haben die Entführung irgendwie in Ihr Leben eingefügt, auf positive Weise.
Ja, auf positive Weise. Neulich haben Diana und ich miteinander gesprochen, und ich habe mir gedacht, mein Gott, wenn irgendwann die Erste von uns geht, hat die andere eine wichtige Freundin verloren. Auch wenn wir nicht oft über das gemeinsam Erlebte reden, wissen wir doch, dass wir etwas gemeinsam erlebt haben, von dem sich andere, die nicht in der Maschine gesessen sind, kein Bild machen können. Manche der »Landshut«-Geiseln sind schon tot, aber das liegt daran, dass sie, als die Entführung passiert ist, in einem vorgerückten Alter waren. Ich habe mich neulich gefragt: Wer aus unserer Gruppe wird wohl die Erste sein?
Das klingt für mich sehr nach einer Lebensgemeinschaft. Eine Gemeinschaft der Schönheitsköniginnen, die in der entführten »Landshut«-Maschine
Weitere Kostenlose Bücher