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Die Ueberlebenden von Mogadischu

Titel: Die Ueberlebenden von Mogadischu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Rupps
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dass man mir die Therapie bezahlt, die ich wegen meiner Entführung machen musste. Ich will keine Entschädigung, ich will nur die Therapiekosten erstattet bekommen. Ich war damals sehr jung und gegenüber der Krankenkasse wahrscheinlich nicht energisch genug. Heute würde ich mir das nicht mehr bieten lassen. Ein paar Monate nachdem mir die Krankenkasse abgesagt hatte, kam sie auf mich zu mit dem Wunsch, ich solle für ihre Zeitschrift ein Interview geben, ich sei doch ein prominentes Mitglied. Der Frau, die mich darum bat, habe ich gesagt: »Sind Sie eigentlich noch ganz bei Trost? Ich gebe jedem ein Interview, nur nicht Ihnen und Ihrer Kasse.«
    Wie haben Ihre Familie und Ihre Freundinnen Ihre Entscheidung, eine Therapie zu machen, aufgenommen?
    Das konnte ich nur einer oder zwei Freundinnen erzählen. Meine Eltern durften nichts davon wissen. Hätte meine Mutter erfahren, dass ich zum Therapeuten gehe, wäre sie vor Kummer gestorben. Dann hätte sie ja voll erfasst, wie schlecht es mir in Wahrheit ging. Zu Hause und auch sonst habe ich weiter auf »Mir geht’s blendend« gemacht. Mein Therapeut hat mir dann noch ein Gutachten geschrieben, dass die Therapie unbedingt fortgesetzt werden sollte. Ich habe über einen Anwalt zunächst bei der Lufthansa anfragen lassen, ob sie die weiter en Stunden bezahlt, und dann bei dieser Opferorganisation, dem Weißen Ring. Sowohl die Lufthansa als auch der Weiße Ring haben abgewinkt. Als ich diese Geschichte Jahre später bei Beckmann erzählt habe, rief der Vorsitzende des Weißen Rings am nächsten Tag bei mir an und entschuldigte sich tausendmal. Der Verein habe seinerzeit noch in den Kinderschuhen gesteckt, da seien auch Entscheidungen getroffen worden, die man so heute nicht mehr treffen würde. Diese Offenheit fand ich sehr nett.
    Haben Sie heute Angst, dass Sie das Ereignis noch einmal einholen könnte?
    Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin froh, dass ich die Thera 220 pie gemacht habe, und auch über das Buch. Ich weiß nicht, ob es etwas genützt hat, das alles zu verarbeiten. Ich nehme es einfach einmal an. Ich habe ein bisschen Schiss vor dem 40.   Jahrestag, denn der Salewski ...
    ... der Psychologe Wolfgang Salewski ...
    ... ja, der hat mich ein oder zwei Tage nach meiner Rückkehr besucht und, nachdem ich ihm gesagt habe, »ich rede nicht mit Ihnen«, beim Hinausgehen geantwortet: »Wenn Sie das Erlebnis jetzt nicht verarbeiten, holt es Sie vielleicht in zwei oder in fünf oder in zehn oder in 40 Jahren ein.« Vor diesen 40 Jahren ist mir ein bisschen mulmig. Darauf steuere ich ja zu. Insgesamt glaube ich aber, ich habe meine Sache gut gemacht, habe eine Therapie gemacht, habe dieses Buch geschrieben – was kann ich sonst noch tun? Ich will ja nicht ein Leben lang zum Therapeuten gehen.
    (Diana Müll, 2011 )
    Die negativen Folgen für die ehemaligen Geiseln sind vielfältig. Beate Hagenkötter berichtet in ihrer Dissertation von einer Frau, die nach »Mogadischu« sieben Jahre lang »kein Kaufhaus betritt, in keine Versammlung geht, wenn sie nicht in Türnähe sitzt [. . . ]«. In einem anderen Fall hätten sich nach dem Drama sogar Tendenzen zur Lebensmüdigkeit gezeigt, die in einem Suizidversuch gipfelten.
    Julia Sost dagegen zählt zu den Betroffenen, die sich aktiv über Jahre mit dem Drama in der »Landshut« auseinandersetzen, um schließlich darüber hinwegzukommen. Sie selbst hatte das nicht für möglich gehalten, wie sie 2008 in einem Radiogespräch mit Thomas Friedrich Koch berichtet:
    »Nach den beiden Verhören wusste ich ganz genau [. . . ], selbst wenn alle freikommen, dass ich keine Chancen habe. Der Entführer Mahmud hatte mir auch in diesem Verhör gesagt, egal, was auf dieser Welt passieren würde oder wie die Geschichte ausgeht, ich würde mein ganzes Leben lang, solange ich existiere, unter Beobachtung bleiben, von wem auch immer. Und selbst wenn ich auswandern würde zum Mond, würde ich nicht entkommen.«
    Beate Keller gehört zu den befreiten »Landshut«-Geiseln, die 221 nach ihrer Entführung zwei, drei Dinge im Leben anders machen, bis heute. Sie lebt nach eigener Aussage mehr im Augenblick und sie achtet nicht mehr so sehr aufs Geld. Weshalb das Geld zusammenhalten, wenn – wie erlebt – auf einem Schlag alles vorbei sein kann?
     
    Bis zum Zeitpunkt der Entführung habe ich über meine Ausgaben Buch geführt. Auch in dem Urlaub, der vorausging, habe ich mein Haushaltsbuch geführt. Ich habe jeden Pfennig, den ich

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