Die Ueberlebenden von Mogadischu
der beiden Frauen im Entführungskommando, Souhaila Andrawes, überlebt schwer verwundet, mit sechs Kugeln im Körper. Souhaila Andrawes kommt zunächst in das Medina-Krankenhaus von Mogadischu und danach in ein Gefängnis am Ort. Die Bundesregierung drängt nicht auf eine Auslieferung, wie Tim Geiger herausfand. Das Auswärtige Amt hatte gewarnt, ein solcher Schritt bringe Somalia in Schwierigkeiten und drohe »das terroristische Potenzial in arabischen Ländern gegen uns neu und heftig zu mobilisieren«. Tim Geiger zufolge sind Justizministerium und Kanzleramt dieser Warnung gefolgt.
Die »Landshut«-Entführerin wird 1978 in Mogadischu zu 20 Jahren Haft verurteilt, kommt aber schon nach weniger als zwei Jahren frei. Der Grund für die Freilassung ist, so Hans-Jürgen Wischnewski in seinen Memoiren, eine Erdöllieferung an Somalia. Souhaila Andrawes geht nach Beirut, nimmt dort an der Universität ein Studium auf und gründet eine Familie. Später lebt sie in der Tschechoslowakei. 1991 siedelt sie mit Ehemann und Tochter in die norwegische Hauptstadt Oslo über. 1994 können deutsche Fahnder sie dort aufspüren. Die Bundesrepublik Deutschland stellt einen Auslieferungsantrag. Souhaila Andrawes richtet eine Petition an das Parlament in Oslo und reicht Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ein, um eine Auslieferung zu verhindern. Ihr Argument: Sie könne für eine Tat nur einmal bestraft werden, und das sei mit dem Gerichtsurteil 1978 in Mogadischu geschehen. Ihre Bemühungen bleiben vergeblich, die norwegische Justizministerin Grete Faremo genehmigt die Auslieferung.
Hans-Jürgen Wischnewski erwähnt in seinen Memoiren, Souhaila Andrawes habe geschworen, die Rache für Mogadischu selbst zu übernehmen. In den Interviews, die sie seit den neunziger Jahren gibt, ist von Rache keine Rede mehr. Sie distanziert sich von ihrem früheren Leben als Terroristin. In Interviews wählt sie 228 häufig Formulierungen, die für sie einnehmen sollen. Auf ihre Verhaftung in Oslo angesprochen, sagt sie zum Beispiel im Januar 1995 in einem Spiegel -Gespräch: »Ich hatte mich soeben mit meinem Mann darüber unterhalten, dass unsere Tochter in Norwegen sehr glücklich ist.« Und: »Ich bin doch nur ein kleiner Baustein in einem großen Theater. Ich leide darunter.«
Sie habe sich in der Haft in Somalia als Freiheitskämpferin und nicht als Kriminelle gefühlt. Die Haftbedingungen seien so schlimm gewesen, dass sie versucht habe, sich umzubringen. Sie leide bis heute körperlich und seelisch unter den Verletzungen, die sie durch die Kugeln der GSG - 9 -Leute erlitten hat. Sie führt Krücken mit sich, ist aber offenbar nicht permanent auf sie angewiesen.
Das Spiegel -Gespräch bleibt nicht die einzige Wortmeldung von Souhaila Andrawes. Bei den nächsten beiden Gesprächen, die sie ebenfalls mit Deutschen führt, sind sogar Kamerateams dabei.
Im Jahr 1995 trifft sich die frühere »Landshut«-Geisel Brigitte Pittelkow mit Souhaila Andrawes. Brigitte Pittelkow saß zusammen mit ihrem Mann in der entführten Maschine, das Kind war bei ihren Eltern zu Hause geblieben. Brigitte Pittelkow erlitt während der fünf Tage bleibende Beeinträchtigungen mit der Folge, dass sie, von Beruf Lehrerin, hinterher einen Antrag auf verminderte Erwerbstätigkeit stellte. Auf eine Entscheidung über ihren – letztlich erfolgreichen – Antrag musste sie fünf Jahre warten.
Brigitte Pittelkow wünschte sich nach ihrer Rückkehr aus Mogadischu ein zweites Kind, doch sie wurde erst Jahre später wieder schwanger. Sie führt dies auf die psychischen Folgen der Entführung zurück.
Brigitte Pittelkow verlor ihren Mann, als er 56 Jahre alt war. Er starb an Herzversagen. »Die Widerstandskraft war gemindert«, wird Brigitte Pittelkow 1996 in einem Spiegel -Artikel von Bruno Schrep zitiert. Ihr Mann habe das Ganze nie verarbeitet, »er hing da noch total mit drin«. Nachrichten über neue Geiselnahmen hätten ihn in höchste Aufregung und Wut versetzt.
Brigitte Pittelkow selbst ist nach dem Oktober 1977 17 Jahre 229 lang nicht geflogen. Dann setzte sie sich in eine Maschine nach Mallorca, um die Reise, die so schicksalhaft für sie wurde, zu wiederholen. Jetzt war ein Bann gebrochen.
Die Einladung zu einem Treffen von Brigitte Pittelkow und Souhaila Andrawes geht von einem Fernsehsender aus.
Für die gläubige Christin Brigitte Pittelkow ist Vergebung das zentrale Motiv. »Mein christliches Verständnis sagt mir, dass
Weitere Kostenlose Bücher