Die Ueberlebenden von Mogadischu
Schumann von Mahmud erschossen wurde, habe sie »eher an die Familie des Ermordeten gedacht als Mitgefühl für den Toten selbst empfunden. Dafür habe ich mich sehr lange Zeit geschämt, aber das Gefühl war in diesem Moment einfach da«, wird sie in 215 einem Zeitschriftenporträt mehr als zehn Jahre später zitiert. Eine weitere Sorge gilt in diesen fünf Tagen den Schönheitsköniginnen, die nicht nur große Angst hatten, sondern, weil sie plötzlich ihre Tage bekamen, auch körperlich stark litten. Die Hilflosigkeit und Verzweiflung der jungen Frauen hat Edelgard Wolf belastet.
Die Erlebnisse von damals macht sie mit sich selbst aus. »Das kann man sich nicht vorstellen, was da gewesen ist«, pflegt sie zu sagen. Zu den Lieblingsbüchern ihrer späten Jahre gehört Nero Corleone , die Katzengeschichte von Elke Heidenreich. Vier Tage und vier Nächte hat sich der alte Kater Nero vor Isolde im Heu versteckt. Sie kommt zu dem alten Bauern auf den Hof und fragt ihn, ob er Nero gesehen habe. Der alte Bauer verneint, obwohl er es besser weiß. Isolde lässt von der Suche ab. Nero sieht, wie Isolde wegfährt, jetzt ist er sicher vor ihr. Er geht auf den Hof des alten Bauern. »Sie sahen sich lange an, der alte Bauer und der alte Kater, und dann streckte der Bauer die runzlige Hand aus und strich Nero über den Kopf. ›Na dann‹, sagte er und arbeitete weiter.«
»Na dann«, sagt Edelgard Wolf jetzt öfter. Es wird zu ihrem späten Lebensmotto.
Nach Mallorca fliegen Edelgard und Everhard Wolf nicht mehr. Noch mit 78 Jahren, 1997 , zum 20. Jahrestag der »Landshut«-Entführung, stellt sich Edelgard Wolf den Fragen eines Journalisten. »Immer wieder habe ich das Geschehen rekapituliert«, sagt sie ihm, »um nur ja nichts zu vergessen. Obwohl ich nicht damit gerechnet hatte, dass ich das jemals noch erzählen könnte.«
Bevor Edelgard Wolf aus ihrer Wohnung in ein Altenheim zieht, weil sie sich nicht mehr selbst versorgen kann, wirft sie die meisten Gegenstände aus ihrem bisherigen Leben weg. Die Tasche mit den Unterlagen zu ihrer Entführung und der ihres Mannes – Korrespondenz, Artikel aus Zeitungen und Illustrierten – ist nicht dabei. Edelgard Wolf regelt ihren Todesfall genau. Von ihrem Ersparten wird natürlich ihre Beerdigung bezahlt. Das Geld, das übrig bleibt, kommt der Opfer-Organisation Weißer Ring zugute.
216 Edelgard und Everhard Wolf haben ihre Ehe, auch mithilfe einer Therapie, retten können, doch gehen wie erwähnt nach 1977 mehrere Ehen von »Landshut«-Geiseln zu Bruch, die Häufigkeit von Trennungen unter den »Landshut«-Geiseln fällt auf.
Frau Knauff, haben Sie zu Hause Unterstützung erfahren?
Als ich nach dem Treffen in Aachen nach Hause kam, hat mein Mann zu mir gesagt: »Von dem Scheiß, den du da gemacht hast, möchte ich nichts hören.« Männer sind ja im Allgemeinen Verdränger. Es gab überhaupt keine Offenheit für diese Form der Bewältigung. Ich habe diese Therapie auch nur gemacht, weil an einem Freitagabend, als die ganze Familie zusammensaß, plötzlich mein ganzer Körper zu zucken anfing, das war ganz komisch. Ich heulte stundenlang, ohne ersichtli-
chen Grund. Sonst hätte ich mich wahrscheinlich nie zu einer Therapie angemeldet.
Waren Sie nicht aufgebracht über das wenig einfühlsame Verhalten Ihres Mannes?
Ich konnte sein Handeln nicht verstehen, ich konnte es überhaupt nicht begreifen. Ich habe gedacht, mit diesem Mann kannst du nicht weiter zusammenleben. Er hatte überhaupt kein Gefühl für den Augenblick. Das ging schon nach meiner Rückkehr los: Als ich zurückkam, war das Haus voller Leute. Eigentlich wollte ich jetzt nur ein heißes Bad nehmen und mit meiner Mutter und meinen Kindern zusammen sein. Das Haus war voll mit Leuten, die während der Woche mit uns gelitten und für uns gebetet hatten. Da konnte ich nun auch nicht sagen: »Geht weg, ich will jetzt niemanden sehen oder hören.«
Haben diese Erfahrungen zu einem Riss zwischen Ihnen und Ihrem Mann geführt?
Nach und nach immer mehr. Erst war er sehr bemüht. Nach einem halben Jahr war alles wieder wie früher. Ich habe ihm gesagt, ich werde dich verlassen, wenn du dich nicht änderst. Bis zur Entführung habe ich mich immer angepasst, zuerst an die Bedürfnisse meines Mannes und dann auch an die meiner Kinder. Das wollte ich so nicht mehr fortsetzen.
Können Sie ein Beispiel geben?
217 Bis zu dieser Zeit haben wir mit dem Abendessen immer gewartet, bis mein Mann nach
Weitere Kostenlose Bücher