Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
friere!«, presste Masako zornig hervor.
Sie klapperte mit den Zähnen, dass man kaum ein Wort verstand. Die Wange, auf die er sie geschlagen hatte, war verquollen, und auch die Unterlippe war dick angeschwollen. Selbst aus dieser Entfernung konnte er sehen, dass sie am ganzen Körper Gänsehaut hatte. Er erinnerte sich an seine Fantasie, diese hirseartigen Körnchen mit dem Messer abzukratzen. Aber das Messer musste noch warten, dafür war es noch zu früh, das kam erst ganz am Schluss.
Satake stellte sich den Augenblick vor, da die dünne, scharfe Klingenspitze Masakos Seite durchbohren würde. Ob ihm dabei noch einmal dieselbe Wonne vergönnt sein würde wie vor siebzehn Jahren? Das brächte ihm endlich den Nachweis seiner Existenz, der Existenz des Mannes Mitsuyoshi Satake seit dem Zusammentreffen
mit jener Frau bis zum heutigen Tag. Er wollte so schnell wie möglich dem Satake von damals wiederbegegnen. Er nahm den in einer Scheide aus schwarzem Leder steckenden Dolch aus der Tasche und legte ihn sacht auf den Boden.
Endlich fiel das Morgenlicht auf Masakos Körper. Er konnte sehen, wie die Sonne sich Stück für Stück vortastete und ihrer vor Kälte blassblau angelaufenen Haut langsam wieder Leben einhauchte, als taute sie sie auf. Masakos Verkrampfung löste sich. Satake näherte sich ihr.
»Auf so einem Tisch packst du sonst Lunchpakete, was?« Masako machte den Mund nicht auf, sondern funkelte ihn nur böse an. Satake packte sie unsanft am Kinn: »Na los, antworte!«
»Und wenn schon, was soll das!« Blanke Wut sprach aus ihrem Mund, der vor Kälte noch unbeweglich war.
»Hast sicher nicht im Traum damit gerechnet, einmal selbst gefesselt und wehrlos dazuliegen, wie?«
Masako drehte ihr Gesicht zur Seite.
»Hey! Verrat mir, wie du die Leichen zerstückelt hast! So vielleicht?« Er packte sie an der Kehle und tat so, als würde er sie ihr mit dem Finger durchschneiden. Dann fuhr er ihr in einer geraden Linie vom Hals bis zum Schambein hinab, als würde er sie aufschlitzen. Der kräftige Druck seines Fingers hinterließ einen blasslila Strich auf ihrer kalten Haut. »Wie bist du ausgerechnet auf Zerstückeln gekommen, he, wie bist du auf die Idee gekommen? Wie hast du dich dabei gefühlt?«
»Das kann dir doch egal sein!«
»Du bist genau wie ich. Genau wie ich hast du einen Weg eingeschlagen, auf dem es kein Zurück mehr gibt.«
Masako sah ihm in die Augen. »Und was war es bei dir?«
»Los, mach die Beine breit!«, befahl Satake, ohne zu antworten.
»Nein!« Widerspenstig presste Masako die Beine zusammen und trat ihm ins Gesicht, als er sie ihr gewaltsam auseinander drücken wollte. Dass sie mir immer noch eins auswischen kann, dachte Satake erfreut. Er warf sich auf sie und drang ein zweites Mal gewaltsam in sie ein. Die Wintersonne fiel auf ihr Gesicht und ließ es leuchten. Da sah er, dass sie die Zähne aufeinander biss und die Augen fest zusammenkniff. Mit den Fingern versuchte er, ihr die Lider hochzuschieben.
»Sieh mich gefälligst an!«
»Nein, ich will nicht!«
»Willst du, dass ich sie dir zerquetsche?« Satake presste beide Daumen fest auf Masakos Lider.
»Mach doch, dann brauch ich dich wenigstens nie mehr zu sehen!«
Als er die Daumen wegnahm, machte Masako absichtlich die Augen einen Spaltbreit auf. Sie blitzten vor Zorn.
»Ja, sieh mich nur weiter so böse an!«
»Wieso?«, entgegnete ihm Masako, als wäre sie plötzlich zur Besinnung gekommen.
»Na, du hasst mich doch! Genauso wie ich dich hasse.«
»Wieso hasst du mich?«
»Weil du eine Frau bist!«
»Na, dann bring mich doch endlich um!«, schrie Masako.
Ja, hatte sie denn immer noch nicht begriffen? Die Frau damals hatte ihn verstanden. Aufgebracht schlug er ihr ein paar Mal mit der flachen Hand ins Gesicht.
»Du bist ja total kaputt!«, schrie Masako wieder.
»So ist es! Und du bist genauso kaputt. Das weiß ich, seit ich dich das erste Mal gesehen habe.« Satake strich ihr sanft übers Haar. Masako schwieg und sah ihn hasserfüllt an. Diesmal war es echter Hass. Er sog zum ersten Mal an ihren Lippen. Sie schmeckten bitter-salzig nach Blut. Das Seil, mit dem sie gefesselt war, hatte sich in ihre Handgelenke gefressen und war blutdurchtränkt. Genau wie damals.
Satake streckte seinen Arm nach dem Dolch aus, den er auf dem Boden unter dem Stahltisch bereitgelegt hatte, und hob ihn auf. Er zog mit der anderen Hand die Scheide ab und legte den Dolch neben Masakos Kopf. Sie schrie auf, als spürte sie die Kälte
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