Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
folgte er schon dem Impuls, Masako von hinten anzufallen. Als er seinen Arm um ihren Hals schlang, teilte ihre animalische Angst sich ihm wie elektromagnetische Wellen mit, die seinen ganzen Körper durchliefen, und er liebte sie dafür.
»Keinen Mucks, ist das klar!«
Aber Masako wehrte sich aus Leibeskräften. Satake nahm ihren mageren Hals in den Würgegriff und versuchte mit der Rechten ihre Arme festzuhalten. Doch Masakos Nägel bohrten sich so tief in seinen Arm, dass sie den Synthetikstoff der Uniform zu durchstoßen drohten, und ihre Füße, mit denen sie ausschlug, trafen ihn bis zwischen die Beine. Unter Einsatz seines ganzen Körpers musste Satake sie in den eisernen Griff bekommen und gewaltsam bewusstlos machen.
Er hatte sie doch tatsächlich geschnappt! Satake warf sich die zusammengesunkene Masako über die Schulter, ging zum Auto zurück und holte ein Seil und die schwarze Tasche heraus. Wohin sollte er sie schleppen, um sie zu töten – jetzt, da ihm Apartment 412 verwehrt war? Ihm fiel kein geeigneter Ort ein, und er hatte keine Zeit mehr, danach zu suchen. Also ging Satake auf die stillgelegte Fabrik zu.
Mit Masako über der Schulter überquerte er den Abwasserkanal, wobei er den Weg vor seinen Füßen vorsichtig mit der Taschenlampe nach Löchern in der Betondecke oder verschobenen Kanaldeckeln ausleuchtete. Das schwarze Wasser glitzerte in der Dunkelheit. Ein Deckel wackelte bedenklich unter ihrer beider Gewicht, und Satake erschrak. Mit Mühe überquerte er den Kanal
und warf Masako in das verdorrte Gras. Er untersuchte das verrostete Rolltor. Als er sich von unten mit aller Kraft dagegenstemmte, ließ es sich unter ohrenbetäubendem Quietschen anheben. In dem Moment hörte er Masako vor Schmerzen aufstöhnen, und er beeilte sich. Er öffnete das Rolltor so weit, dass man gebückt darunter durchkriechen konnte, und zog Masako hastig hinter sich her.
Drinnen war es stockdunkel und eiskalt, es roch nach feuchtem Schimmel. Satake leuchtete mit der Taschenlampe in die Runde und sah sich um. Das Gebäude wirkte wie ein riesengroßer, leerer Sarg aus Beton. Doch da entdeckte er unterhalb der Decke eine ganze Reihe Oberlichter. Wenn die Sonne erst aufgegangen war, sollte es hier drinnen auch einigermaßen hell werden.
Von der ehemaligen Lunchpaket-Fabrik waren die Stahlunterbauten der Fließbänder und die Theke vor der Laderampe für die Lastwagen übrig geblieben. Wenn er Masako auf einen dieser Stahltische band, dürfte ihr ganz schön kalt werden. Bei dieser Vorstellung erschien ein hämisches Grinsen auf Satakes Gesicht.
Masako war noch ohne Bewusstsein, ihr Mund stand ein wenig offen. Satake hob sie auf einen der langen Tische mit einer Spur in der Mitte, in der früher das Fließband gelaufen war. Wehrlos lag sie da, wie ein narkotisierter Patient vor der Operation.
Er zog ihr die Daunenjacke aus, riss ihr das Sweatshirt vom Leib, warf die Turnschuhe zu Boden, und als er ihr gerade Strümpfe und Jeans ausgezogen hatte, kam Masako durch die Kälte des Stahltischs, die sie direkt auf der Haut spürte, zu sich. Aber sie schien nicht zu begreifen, wo sie war und was mit ihr geschah, denn sie blieb auf dem Rücken liegen und blickte verwundert um sich.
»Masako Katori!«, rief Satake sie beim Namen. Er hielt ihr die Taschenlampe ins Gesicht. Geblendet wandte sie die Augen ab und versuchte Satake außerhalb des Lichtkegels auszumachen.
»Scheiße!«
»Falsch, es heißt: ›Du hast mich reingelegt, du elender Schweinehund! ‹ Los, sag es!« Satake packte beide Arme der sich erst träge wehrenden Masako und presste sie gegen den Stahltisch. Einen Augenblick hielt sie in der Bewegung inne und schaute verwundert.
»Wieso?«
»Egal, sag es!«
Da versetzte Masako dem einen Moment lang unachtsamen Satake plötzlich mit dem nackten Fuß einen Tritt in den Bauch. Ihre Ferse bohrte sich empfindlich in seinen Unterleib, so dass er aufheulte vor Schmerz. Blitzschnell nutzte Masako die Gelegenheit, warf sich zur Seite und sprang vom Stahltisch. Sie war unglaublich wendig für eine Frau ihren Alters. Sie schlüpfte unter seinen Armen, die sie zu fassen versuchten, durch und rannte auf eine Ecke der Fabrikhalle zu, wo sie in der Dunkelheit verschwand.
»Glaub ja nicht, dass du mir entkommen kannst!«
Satake versuchte ihr mit dem Strahl der Taschenlampe zu folgen, aber das zu schwache Licht verlor sich in dem enormen Raum. Wo er auch hinleuchtete, Masako blieb verschwunden. Satake baute sich vor
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