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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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quasi Merlins Tageszeitung.
    Grady setzte sich mit einer eiskalten Flasche Bier auf die hintere Veranda, in einen der beiden Schaukelstühle aus Teakholz mit weinroten Polstern.
    Ein niedriges Tischchen mit einer schwarzen Marmorplatte stand neben dem Stuhl. Auf dem Tisch stapelten sich drei Nachschlagewerke aus seiner Bibliothek.
    Mit der Aufmerksamkeit eines Kriminalbeamten an einem Tatort sog Merlin mit der Nase im Gras jeden Hinweis auf die Identitäten sämtlicher unbefugter Eindringlinge auf.
    Eine hohe Papierbirke ragte über die Nordseite des Hauses und drei weitere zierten den Garten. Die weiße Rinde war von der Nachmittagssonne stellenweise golden getönt. Zeitweilig schien Merlin dem verschlungenen Muster zu folgen, das die Bäume auf den Rasen warfen, als handelte es sich bei ihren Schatten um eine Geheimschrift, die er zu lesen und zu dechiffrieren beabsichtigte.
    Um Merlin zurückzuhalten, bedurfte es keines Zauns. Er lehnte sich nie gegen die Regel auf, in Sichtweite seines Herrn zu bleiben.
    Gradys Grundstück endete da, wo gemähter Rasen an hohes Gras grenzte. Der Wald ragte finster auf, das Gelände stieg mit ihm an, die Vorgebirge brachen sich in grünen Wellen an den Bergen, und die Berge erhoben sich steil.
    Von Zeit zu Zeit markierte Merlin sein Revier. Für sein großes Geschäft lief er in das hohe Gras, wo keine Notwendigkeit bestand, seine Hinterlassenschaft wegzuräumen. Aber selbst dabei blieb er in Sichtweite, denn das Gras reichte ihm nicht über die Brust.
    Wenn er danach in den Garten zurückkehrte, rannte er in großen Kreisen und Achterfiguren, ohne dabei auf etwas Jagd zu machen. Er rannte aus reiner Freude an der Bewegung. Seine langen Beine waren für schnelles, ausdauerndes Laufen geschaffen, sein Herz für die Lebensfreude.
    Die Schönheit des Hundes war nicht nur das Produkt einer gelungenen Züchtung, sondern auch eine tiefere Schönheit, die ihren Ursprung bestätigt und Hoffnung wachruft. Zwei Dinge waren für Grady die reine Wohltat:
handwerklich hochwertige Möbel herzustellen – er war Kunstschreiner – und Merlin zu beobachten.
    Als der Wolfshund auf die Veranda zurückkehrte, aus seinem Wassernapf trank und sich erschöpft und glücklich neben den Schaukelstuhl legte, nahm Grady das erste Buch vom Tisch. Wie die anderen beiden war es ein Nachschlagewerk über die Wildtiere in dieser Bergregion.
    Er hatte die Hektik gegen das Landleben, Macht gegen inneren Frieden und Blendwerk gegen die Ehrlichkeit dieser natürlichen Landschaft eingetauscht. Nichts an dieser Landschaft war gekünstelt, denn die Natur war über bloße Kunst erhaben und hatte keinerlei künstlerische Ambitionen.
    Nachdem er diesen Handel eingegangen war, wollte er die Namen der Dinge wissen, die er an dieser Gegend liebte. Wenn man sich die Mühe machte, die Namen von Dingen zu erfahren, erwies man ihnen damit Respekt.
    Seine Bibliothek umfasste Dutzende von Bänden über die Flora und Fauna, die Geologie und die Naturgeschichte dieser Berge. Die drei gewählten Bände enthielten mehr Fotografien als die anderen.
    In keinem der drei Bücher war ein Bild von einem Tier, das auch nur die entfernteste Ähnlichkeit mit den beiden Geschöpfen auf der Wiese zeigte.
    Als die Sonne auf die Berggipfel herabsank, erhob sich Merlin und trabte zu den Stufen, die zur Veranda führten. An ihrem oberen Ende blieb er wie ein Wachposten stehen. Er blickte über den Garten auf das hohe Gras und die Wälder dahinter.
    Dann gab der Wolfshund einen Laut von sich, der zwischen Schnurren und leisem Knurren lag, nicht so, als wolle er ihn vor einer Gefahr warnen, sondern eher, als verwirre ihn etwas.
    »Was ist los? Riechst du etwas, Großer?«
    Merlin sah Grady nicht an, sondern starrte weiterhin wie gebannt auf die tiefer werdenden Schatten zwischen den Bäumen in der Ferne.

5
    Wände aus schimmerndem Gold und ein goldener Schatz, der zu beiden Seiten der asphaltierten Straße herabrieselte: Der Privatweg, der zur High Meadows Farm führte, wurde von zitternden Espen in herbstlichem Gewand gesäumt, das der spätnachmittäglichen Sonne Wert verlieh und verschnörkelte Muster aus Licht und Schatten auf die Windschutzscheibe von Cammys Explorer warf.
    Sie fuhr an dem eleganten Haus vorbei zu den Gestütsgebäuden und parkte am Ende einer Reihe von Pferdeanhängern. Mit ihrer Ärztetasche lief sie über den Reitplatz, der von zwei smaragdgrün gestrichenen Ställen mit weißen Zierleisten flankiert wurde.
    Ein

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