Die unbeugsame Braut
»Premierminister Pitt und der liebe Henry Dundas sind gerade eingetroffen. Und der Prince of Wales und der Duke of York müssen ebenfalls bald da sein – ich habe sie durch den Garten von Carlton House herüberkommen sehen.«
Die Ankunft dieser erlauchten Gäste war freilich nicht der Grund für ihre nicht zu verkennende Erleichterung. Es waren der junge Bräutigam und sein Vater, die ihr bis zuletzt Kopfzerbrechen bereitet hatten. Der Marquess of Cornwallis, ein hochrangiger General der königlichen Armee und ehemaliger Generalgouverneur
von Indien, hatte sich nämlich zunächst der Verlobung widersetzt, da er die bei den Gordons verbreitete und berüchtigte Anlage zum Wahnsinn fürchtete. Bis die Brautmutter ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraute, dass in Louisas Adern nicht ein einziger Tropfen Gordon’sches Blut fließe.
»Ist Charles schon da?«, fragte Louisa.
»Was für eine törichte Frage, meine Kleine. Natürlich ist dein verliebter Bräutigam mit deinem zukünftigen Schwiegervater bereits eingetroffen. Was für ein großes Glück, dass ausgerechnet der Bischof von Lichfield und Coventry ein Bruder des Marquess of Cornwallis ist und heute die Trauung vollziehen wird.«
»Es wird bestimmt die Hochzeit der Saison«, sagte Georgina augenzwinkernd zu ihrer ältesten Schwester.
»Der Saison?«, warf die Mutter ein. »Es wird die Hochzeit des Jahrzehntes! Noch prunkvoller als die Vermählung der Princess Royal.«
»Ich glaube, dahinter steckt Absicht«, entgegnete Charlotte trocken.
Louisa griff nach dem Brautstrauß. »Wir müssen uns beeilen.«
»Wo denkst du hin, ganz im Gegenteil. Wir werden uns vornehm verspäten und alle gehörig auf die Folter spannen, bis sie einen Blick auf die hold errötende Braut werfen dürfen.«
»Ich habe meinem lieben Ehemann geraten, sich von den königlichen Prinzen fernzuhalten. Ein Pistolenduell im Morgengrauen wäre das Allerletzte, was wir brauchen können.« Lennox hatte sich kurz vor seiner Heirat mit dem Duke of York duelliert.
»Nun, ein Hochzeitsduell würde uns gewiss einen Platz in den Annalen sichern«, scherzte Georgina.
Jane Gordon warf den Kopf in den Nacken und lachte genüsslich. »Mein Wort darauf, dass dieser Streifschuss für Fredericks Aussehen eine deutliche Verbesserung bedeutete.«
»Das war nicht der einzige Vorteil«, ergänzte Georgina. »Wäre Lennox nicht nach Edinburgh versetzt worden, weil er die Kühnheit
besessen hatte, den Sohn des Königs anzuschießen, hätte er Charlotte nie geheiratet.«
Die Duchess of Gordon hob ihren Blick zum Himmel und murmelte mit gespielter Frömmigkeit: »Amen.«
»Ist deine Erzrivalin, die Duchess of Devonshire, eigentlich schon aufgekreuzt?«
»Noch nicht, Susan, obwohl ich glaube, dass sie nicht wird widerstehen können.«
»Wollen wir wetten?«, rief Georgina fröhlich aus. »Ich setze ein Pfund darauf, dass sie genau dann im Ballsaal erscheint, wenn wir unseren Auftritt haben, und dass sie die Federn des Prince of Wales in ihrer Perücke trägt.«
»Ich halte dagegen«, erklärte Charlotte. »Der versammelte Gordon-Clan ist zu furchteinflößend und zu einschüchternd!«
Georginas spöttischer Blick glitt durch den Raum. »Ihr schüchtert auch mich ganz schön ein.«
»Kleine Schwindlerin«, tadelte ihre Mutter. »Du fürchtest doch weder Tod noch Teufel, Georgy!«
»Schluss mit dem Unsinn!«, mahnte Charlotte. »Bringen wir die Trauung hinter uns, ehe der Bräutigam sich in letzter Minute aus dem Staub machen kann. Ich gehe voran.«
»Vergesst nicht, liebreizend zu lächeln«, wies die Duchess of Gordon ihre Töchter an. »Dass wir den jungen Cornwallis einfangen konnten, hat uns den wohlverdienten Neid der tonangebenden Kreise eingetragen, doch lasst euch ja nicht einfallen, auch nur einen Anflug von Selbstgefälligkeit in euren hübschen Gesichtern aufblitzen zu lassen.«
»Liebe Gemeinde, wir haben uns im Angesicht Gottes und der hier Versammelten zusammengefunden …«, setzte James Cornwallis, seines Zeichens Bischof von Lichfield und Coventry, salbungsvoll an.
Und im Angesicht der formidablen Duchess of Gordon , fügte Georgina insgeheim hinzu. Sie blickte zu ihrem Bruder, Lord George
Huntly, hin, der ihre Mutter zu ihrem Ehrenplatz geleitet hatte. In seinem Kilt sah er wirklich schmuck aus. Sie erwiderte das teuflische Grinsen, das er ihr zuwarf.
»Charles Cornwallis, willst du diese Frau zu deiner dir angetrauten Ehefrau nehmen?«, stellte der Bischof die
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