Die Unbezähmbare
angenehme Gesellschaft damals.” Tariqs Erklärung versetzte Jasmine einen weiteren Stich in ihr wundes Herz. “Hiraz fuhr im vorderen Wagen mit zwei Leibwächtern. Zwei weitere Leibwächter befanden sich in dem Wagen hinter uns.”
“Du warst also allein.” Unwillkürlich legte sie ihre Hand auf Tariqs.
“Ich brauchte Zeit für mich, Mina.” Es klang bitter. Sie verstand. Selbst ein Scheich brauchte ab und zu das Alleinsein. Ein Mann wie Tariq jedoch erst recht. “Meine Fahrer sind stets auch ausgebildete Leibwächter.”
“Und was geschah dann?”, fragte Jasmine gespannt. Durch jenes Attentat wäre ihr Tariq fast genommen worden. Auf jeden Fall war der emotionale Schaden, den er erlitten hatte, immens.
Er beugte sich vor und strich den Stoff ihres Kopfschutzes beiseite, sodass er ihr ins Ohr flüstern konnte. “Wir haben sie erledigt.”
Jasmine genoss es, seine Wärme zu spüren, seinen Duft zu atmen. “Ist das alles?”, fragte sie, voller Angst, dass er sich aufs Neue zurückziehen würde.
“Es gibt nicht viel zu sagen. Es handelte sich um religiöse Fanatiker aus einem Staat, in dem Bürgerkrieg herrschte. Sie wollten mich mit bloßen Händen umbringen. Ich habe drei kampfunfähig gemacht, mein Fahrer zwei.” Er küsste sie auf den Hals.
“Und die anderen Leibwächter haben sich um die übrigen Attentäter gekümmert, sobald sie die Lastwagenblockade durchbrochen hatten?”
Statt einer Antwort zog Tariq ihr wieder den Kopfschutz übers Gesicht. “Deine Haut ist zu empfindlich”, brummte er.
“Vielleicht werde ich ja braun.”
Er schnaubte ungläubig. “Genug davon. Jetzt reden wir über etwas anderes.”
Sie hätte protestieren können, doch sie wollte nicht zu weit gehen. Er war ihr schon sehr entgegengekommen, nachdem er anfangs überhaupt nicht über die Vergangenheit reden wollte. “Einverstanden.”
“Und das soll ich dir glauben?”
“Unerhört.” Sie versuchte, den lockeren Plauderton zu genießen und die schreckliche Wahrheit zu vergessen.
“Wie fühlst du dich?”, fragte er.
Jasmine nahm an, er bezog sich auf ihren Streit. “Es ist ein schöner Tag. Ein Tag zum Glücklichsein.”
Tariq schmunzelte. “Ich meinte deinen süßen Po.”
Jasmine stieß ihm den Ellbogen in die Rippen. “Benimm dich.” Die Zeit des Frostes war vorüber, doch das Glück, das Jasmine empfand, war bittersüß. Es würde keinen Schmerz und keinen Streit mehr geben an diesem wundervollen Tag. Sie würde so tun, als wäre alles in Ordnung und als würde der Mann, der sie so sorgfältig festhielt, sie tatsächlich lieben.
Am Abend war Jasmine jedoch viel zu erschöpft, um weiter so zu tun, als sei alles in Ordnung. “Wärst du einverstanden, wenn ich mich heute früher zurückziehe?”, fragte sie Tariq. Der Schein des Lagerfeuers, der am Abend zuvor so malerisch gewirkt hatte, reizte ihre ausgetrockneten Augen heute.
Tariq blickte über die Schulter. “Du möchtest nicht länger hierbleiben?” Sein Ton war leicht tadelnd.
“Ich bin schrecklich müde. Das alles ist neu für mich”, sagte sie und verbarg damit eine Wahrheit hinter der anderen.”
Tariq drückte sie an sich. Jasmine war überrascht. Er berührte sie kaum, wenn sie nicht allein waren. Sie hatte es bis jetzt nicht gewagt, ihn zu fragen, ob er es nicht wollte oder glaubte, es nicht mit seiner Position als Scheich vereinbaren zu können.
“Verzeih mir, Mina. Du beklagst dich nie, deshalb vergesse ich immer wieder, wie hart diese Reise für dich sein muss.” Seine Worte waren wie eine Liebkosung.
Jasmine legte den Kopf an seine Schulter und spürte, wie ein Teil des Schmerzes in ihrem Innersten sich in Nichts auflöste. Tariq hielt sie im Arm, als würde sie ihm tatsächlich etwas bedeuten. “Erwartet man, dass ich bleibe, weil ich deine Frau bin?”
Er drückte sie noch fester an sich. “Dass du so intelligent bist, ist einer der Gründe, weshalb du meine Frau bist”, murmelte er. “Die Menschen in meinem Land vergleichen Fremde stets mit sich selbst. Es ist nicht fair, hat aber vielleicht auch einen Sinn. Wir vertrauen Fremden nicht so leicht.” Das hatte Jasmine schon bei ihrer allerersten Begegnung gespürt.
“Sie haben dich akzeptiert, weil ich dich zu meiner Frau gemacht habe”, fuhr er fort. “Und man wird dir gehorchen. Aber wie sehr man dich tatsächlich respektieren wird, wird von vielen Dingen abhängen, unter anderem davon, wie gut du mit Land und Klima fertigwirst.”
Was er nicht sagte,
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