Die UnderDocks - Verschwörung in der Hafencity
nicht mit. Leon ging wieder in die Küche und sah an sich herunter. Mit dem Glas funktionierte es nicht, mit der Kleidung schon. Nur mit dieser Kleidung? Schnell stellte er das Glas ab und konnte endlich problemlos durch die Wand. Er riss sich die Klamotten vom Leib, zog sich einen neuen Pulli und eine andere Hose an und wollte diesmal durch die gegenüberliegende Wand ins Wohnzimmer. Als er mit dem Oberkörper schon auf der anderen Seite war, seine Beine aber noch in seinem Zimmer standen, hielt er erschrocken inne.
Auf dem Sofa saß seine Mutter!
Auf keinen Fall durfte sie ihn so sehen! Zum Glück schaute sie aber gerade in die andere Richtung, wo soeben die Fernseh-Nachrichten in 3D auf die weiße Wand projiziert wurden.
So schnell wie möglich wollte sich Leon wiederzurückziehen, doch vor Schreck und Aufregung vergaß er, die Luft anzuhalten – und steckte fest!
»O Mann!«, zischte er verärgert. Laut genug, dass seine Mutter es mitbekam. Sie war gerade im Begriff, sich zu ihm umzudrehen, als ein Panzer aus den Fernsehnachrichten dreidimensional auf sie zugefahren kam.
»Huch!«, schreckte sie zurück, drückte auf eine Taste ihres Ärmels und der Panzer war wieder nur eine zweidimensionale Leinwand-Projektion.
Genug Zeit für Leon, den Atem anzuhalten und durch die Wand in sein Zimmer zurückzuflutschen.
»Puh!«, atmete er schwer wieder aus. »Das war knapp!« Er wusste, wie viel Glück er gehabt hatte. Denn seine Mutter sah sich die Nachrichten grundsätzlich nur in 2D an. Die Einstellung des TV-Empfangs in der Wohnungscomputerzentrale musste sein Vater am Vorabend falsch festgelegt haben.
Leon hatte auf diese Weise eine weitere Tücke seiner neuen Fähigkeit kennengelernt. Er konnte zwar durch Wände gehen , aber nicht sehen , und wusste daher niemals vorher, was sich dahinter verbarg. Hinter jeder Wand, durch die er schritt, konnte eine böse Überraschung lauern. Die Durchquerung der Wand mit der neuen Kleidung hatte aber geklappt. Ganz offensichtlich gelang es, wenn etwas fest am Körper lag, aber nicht, wenn er etwas Größeres inder Hand hielt, das er nicht vollständig umschließen konnte.
Sein Blick fiel auf das Fenster in seinem Zimmer, das sich aus Sicherheitsgründen nicht öffnen ließ. Durch Glas zu gehen, hatte er bisher noch nicht probiert.
Er steckte den Kopf und einen Fuß durch die Fensterscheibe und blickte hinunter auf die Straße und über die Elbe und den Hafen.
Atemberaubend! Leon hätte vorher nie vermutet, welchen Unterschied es machte, durch ein geschlossenes Fenster aus dem vierten Stock über die Hafencity zu blicken oder dabei wie ein Vogel den Kopf frei in der Luft zu halten und sich den Wind um die Nase wehen zu lassen. Er spürte einen Hauch des mächtigen Gefühls zu fliegen!
Leon wollte seinen Kopf gerade wieder zurückziehen, als ihm ein neuer Gedanke kam. Ein abenteuerlicher Gedanke. Etwas ganz und gar Sensationelles!
Linda
Leon blickte die gläserne Hauswand hinunter auf die Straße. Auch wenn es nur der vierte Stock war, so fühlte er sich doch in schwindelnder Höhe. Wenn er den Atem anhielt, konnte er in eine Wand eindringen. Wenn er atmete, blieb er stecken. Bedeutete dies, dass er mit einer bestimmten Atemtechnik ...
Sein Gedanke erschien ihm derart unglaublich, dass er kaum wagte, ihn weiterzudenken.
Ich probier’s einfach, entschied er. Er vergaß völlig, dass seine Mutter jeden Moment ins Zimmer kommen konnte. Zwar klopfte sie immer zuvor an. Aber sein Kopf steckte draußen, wo ihm der Wind um die Ohren pfiff. Er würde sie nicht hören.
Leons gesamte Konzentration galt seinem nächsten Experiment. Er zog den rechten Arm aus dem Zimmer durchs Fenster ins Freie und ließ die Hand links von sich in die Wand eintauchen, sodass er eine halbe Drehung machen musste. Sein Gesicht war jetzt von außen der Fensterscheibe zugewandt.
Anschließend wiederholte er die gleiche Prozedurmit dem linken Arm, dessen Hand er über dem Fenster von außen in die Wand schob. Es folgte der rechte Fuß rechts vom Fenster in die Wand, seinen linken Fuß ließ er frei in der Luft baumeln.
Der pure Wahnsinn!, dachte er. Es funktionierte!
Auf die gleiche Art wie eben schob er sich so neben das Fenster, dass er von innen nicht mehr gesehen werden konnte.
»Yipieeeehhhh!«, schrie er aus vollem Hals, obwohl er es immer noch nicht so recht glauben konnte. Er »klebte« außen an der Hauswand fast wie ein Gecko! Seine Hände und Fußspitzen steckten in der Wand. Noch
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