Die unendliche Geschichte
stoßen wir wieder zu euch - mit den drei Herren oder überhaupt nicht. Geht nun!«
Die Reisegenossen verneigten sich stumm vor Bastian, dann machten sie sich auf den Weg. Bastian, Atréju und Fuchur versteckten sich im Orchideengebüsch und warteten reglos und schweigend auf die Nacht.
Als die Dämmerung hereinbrach, hörten sie plötzlich ein leises Klirren und sahen fünf der riesenhaften schwarzen Kerle den verlassenen Lagerplatz betreten. Sie bewegten sich auf eine eigentümlich mechanische Art, alle ganz gleich. Alles an ihnen schien aus schwarzem Metall, sogar die Gesichter waren wie Masken aus Ei _en. Sie blieben gleichzeitig stehen, drehten sich in die Richtung, in der die Karawane verschwunden war, und folgten, ohne ein Wort miteinander gesprochen zu haben, im Gleichschritt der Spur. Dann war es wieder still. »Der Plan scheint zu funktionieren«, flüsterte Bastian.»Es waren nur fünf«, erwiderte Atréju. »Wo sind die anderen?«
»Sicher werden die fünf sie auf irgendeine Weise rufen«, meinte Bastian.
Als es schließlich ganz dunkel geworden war, krochen sie vorsichtig aus ihrem Versteck, und Fuchur erhob sich mit seinen beiden Reitern lautlos in die Lüfte. Er flog möglichst niedrig über die Wipfel des Orchideenwaldes hin, um nicht entdeckt zu werden. Zunächst stand die Richtung ja fest, es war dieselbe, die er an diesem Nachmittag eingeschlagen hatte. Als sie etwa eine Viertelstunde rasch dahingeglitten waren, erhob sich die Frage, ob und wie sie nun das Schloß Hórok finden würden. Die Finsternis war undurchdringlich. Doch wenige Minuten später sahen sie das Schloß vor sich auftauchen. Seine tausend Fenster waren strahlend hell erleuchtet. Xayíde schien Wert darauf zu legen, daß man es sah. Das war allerdings leicht erklärlich, denn sie wartete ja auf Bastians Besuch, wenn auch in anderem Sinne. Vorsichtshalber ließ Fuchur sich zwischen den Orchideen zu Boden gleiten, denn sein perlmutterweißes Schuppenkleid funkelte und warf das Licht zurück. Und vorerst durften sie noch nicht gesehen werden.
Im Schutz der Pflanzen näherten sie sich dem Schloß. Vor dem großen Eingangstor hielten zehn der Panzerriesen Wache. Und an jedem der hell erleuchteten Fenster stand einer von ihnen, schwarz und reglos wie ein drohender Schatten.
Schloß Hórok stand auf einer kleinen Anhöhe, die frei von Orchideendickicht war. Die Form des Gebäudes war tatsächlich die einer Riesenhand, die aus der Erde ragte. Jeder der Finger war ein Turm und der Daumen ein Erker, auf dem abermals ein Turm saß. Das Ganze war viele Stockwerke hoch, jedes Fingerglied bildete eines, und die Fenster hatten die Form von leuchtenden Augen, die nach allen Seiten ins Land spähten. Es hieß zurecht die Sehende Hand.
»Wir müssen herausfinden«, wisperte Bastian Atréju ins Ohr, »wo die Gefangenen stecken.« Atréju nickte und bedeutete Bastian, still zu sein und bei Fuchur zu bleiben. Dann kroch er, ohne das geringste Geräusch zu machen, auf dem Bauch fort. Es dauerte lange, ehe er zurückkam.
»Ich bin um das ganze Schloß herum gepirscht«, raunte er, »es gibt nur diesen einen Eingang. Aber der ist zu gut bewacht. Nur ganz oben auf der Spitze des Mittelfingers habe ich eine Dachluke entdecken können, an der keiner von den Panzerriesen zu stehen scheint. Aber wenn wir mit Fuchur hinauffliegen, werden sie uns unbedingt sehen. Die Gefangenen sind wahrscheinlich im Keller, jedenfalls habe ich einmal wie aus großer Tiefe einen langen Schmerzensschrei gehört.«
Bastian dachte angestrengt nach. Dann flüsterte er:
»Ich werde versuchen, diese Dachluke zu erreichen. Du und Fuchur, ihr müßt inzwischen die Wächter ablenken. Tut irgend etwas, das sie glauben macht, wir würden das Eingangstor angreifen. Ihr müßt sie alle hierher locken. Aber nur locken, verstehst du? Laß dich auf keinen Kampf ein! Inzwischen werde ich versuchen, von hinten an der Hand hinaufzuklettern. Halte die Kerle auf, solang es geht. Aber geh kein Risiko ein! Laß mir ein paar Minuten Zeit, ehe du anfängst.«
Atréju nickte und drückte ihr die Hand. Dann legte Bastian den Silbermantel ab, und schlüpfte durch die Dunkelheit davon. Er schlich in einem großen Halbkreis um das Gebäude herum. Kaum hatte er die Rückseite erreicht, da hörte er auch schon Atréju laut rufen: »Heda! Kennt ihr Bastian Balthasar Bux, den Retter Phantásiens? Er ist gekommen, aber nicht um die Gnade Xayídes zu erbitten, sondern um ihr noch eine Chance zu geben,
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